bwp@ Spezial AT-3 - September 2021

Wirtschaftspädagogik in Österreich 2021

Beiträge zum 14. Österreichischen Wirtschaftspädagogikkongress

Hrsg.: Peter Slepcevic-Zach & Susanne Kamsker

Der Rechnungswesenunterricht im retrospektiven Erleben von Studierenden der Wirtschaftspädagogik

Der Unterricht im Fach Rechnungswesen nimmt in der kaufmännischen Berufsausbildung eine zentrale Rolle ein. Dabei ist auffallend, dass sich die Unterrichtspraxis über die Jahre hinweg kaum zu verändern scheint. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass (angehende) Lehrkräfte bereits vor Beginn ihrer Ausbildung über jahrelange Erfahrung mit Schule und Unterricht verfügen, da sie selbst als Schülerin/als Schüler aktiv am Unterricht teilgenommen haben und im Zuge dessen relativ stabile Vorstellungen über (gelungenen) Unterricht erworben haben. Bezugnehmend auf das Konzept der unterrichtsbezogenen Überzeugungen geht der Beitrag daher der Frage nach, über welche Überzeugungen zum Rechnungswesenunterricht Studierende der Wirtschaftspädagogik verfügen und wie sie insgesamt den von ihnen erlebten Unterricht retrospektiv beschreiben und bewerten. Die Ergebnisse der unstrukturierten, schriftlichen Befragung zeigen, dass Studierende die Lehrkraft ins Zentrum ihrer Erinnerung rücken und ihr eine zentrale Rolle für gelungenen Unterricht zuschreiben. Zudem zeigen die studentischen Aufsätze, dass der Unterrichtsgegenstand Rechnungswesen insgesamt als schwer verständlich und abstrakt gesehen wird.

Accounting classes in the retrospective experience of business education students

English Abstract

Accounting education is considered a core element of commercial education. Although accounting education has been subject of a broader and lively debate, substantial reform processes failed. So-called teachers’ beliefs may contribute to this resistance to change. As former students, (preservice) accounting teachers have had years of experience with teachers, schools and learning, leading to stable conceptions of good teachers and good teaching (teachers’ beliefs). Therefore, this paper aims at investigating beliefs of business education students regarding accounting education. Results of written surveys of 40 students show that students emphasize the important role of teachers concerning successful learning processes. In addition, a%ccounting is seen as a challenging, difficult and abstract subject.

1 Problemaufriss und Forschungsinteresse

Dem Unterrichtsgegenstand Rechnungswesen wird in der kaufmännischen Berufsausbildung (sowohl in Deutschland als auch in Österreich[1]) große Bedeutung beigemessen, gilt dieser doch als wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines „umfassenden ökonomischen Verständnisses“ (vgl. Preiß/Tramm 1996, 240).[2] Trotz oder gerade wegen der großen Bedeutung, die dem Rechnungswesenunterricht beigemessen wird, ist dieser seit geraumer Zeit in der Forschung erheblicher Kritik ausgesetzt. So zeigen Befunde, dass im Rechnungswesenunterricht häufiger als in anderen Unterrichtsgegenständen Lern- und Verständnisschwierigkeiten auftreten und der Unterricht von den Lernenden als trocken, eintönig und langweilig empfunden wird (vgl. Kögler 2015; Schiller 2004; Tramm/Hinrichs/Langenheim 1996; Wuttke/Seifried 2012). Kritisiert wird zudem die starke Zentrierung auf die Lehrkraft und der wenig variantenreiche Einsatz von Unterrichtsmethoden. Beides bietet kaum Raum für eigenständige Aktivitäten der Lernenden (vgl. Jahn 2020; Seifried 2004). Im Unterricht wird häufig ein einseitiger Fokus auf den Erwerb von Buchungs- und Rechenfertigkeiten gelegt, während die Förderung von Verständnis vernachlässigt wird, was dazu führt, dass der Unterricht auf einem niedrigen kognitiven Niveau verharrt und repetitives Lernen begünstigt wird (vgl. Reinisch 1996; Schneider 2010; Seifried 2004).

Bemerkenswert ist, dass sich die gelebte Unterrichtspraxis trotz anhaltender Kritik kaum zu verändern scheint. So kritisierten beispielsweise bereits Schär (1913), Holzmann (1978) und Reinisch (1983) die Dominanz lehrendenzentrierter Vermittlungsformen im Buchhaltungsunterricht und den Fokus auf das Einüben von Buchungsregeln. Jahre später scheinen diese Befunde weiterhin Aktualität zu besitzen (vgl. dazu bspw. Götzl et al. 2013; Götzl/Jahn 2014; Jahn 2020; Seifried 2008). Ein Grund für diese Veränderungsresistenz kann in einer Besonderheit der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung liegen. Anders als bei anderen Berufsanwärterinnen und -anwärtern verfügen alle angehenden Lehrkräfte bereits vor Beginn des Studiums über vieljährige Erfahrungen im Berufsfeld Schule (vgl. Biedermann et al. 2012, 460; Richardson 2003, 5). Unter Rückgriff auf Konstrukte wie „berufsbezogene Überzeugungen“ (teachers‘ beliefs) (vgl. Nespor 1987; Pajares 1992; Reusser/Pauli 2014), „subjektive Theorien“ (vgl. Dann 1989; Groeben et al. 1988) oder „Sichtweisen“ (vgl. Seifried 2009) ist davon auszugehen, dass (angehende) Lehrkräfte bereits in der eigenen Schulzeit handlungsleitende Vorstellungen darüber erworben haben, wie Unterricht gestaltet sein muss, damit er als gelungen bezeichnet werden kann. Diese Vorstellungen dienen als „didaktischer Referenzrahmen“ für die spätere Unterrichtsgestaltung und beeinflussen zugleich die eigenen Lernprozesse während des Studiums (vgl. Helmke 2021). Sie erweisen sich zumeist als sehr robust gegenüber Veränderungen, was bedeutet, dass Studierende bereits zu Beginn ihres Studiums über genaue Vorstellungen über Lerninhalte, Lehr-Lern-Prozesse, Lernende und Lehrkräfte sowie Unterricht und Schule im Allgemeinen verfügen und sich diese Überzeugungen im Laufe des Studiums nicht, kaum oder nur schwer verändern lassen (vgl. Nespor 1987, 321; Pajares 1992, 322; Reusser/Pauli 2014, 664f.). Geht man zudem davon aus, dass Überzeugungen (zumindest teilweise) domänenspezifisch sind (vgl. Kirchner 2016, 136; Seifried 2009, 51), lohnt eine Erforschung von Überzeugungen angehender Lehrkräfte in der Domäne Rechnungswesen. Auf Basis der angeführten Darstellungen soll daher folgenden Fragen nachgegangen werden:

Forschungsfrage 1: Mit welchen Kategorien beschreiben Studierende der Wirtschaftspädagogik ihren erlebten Rechnungswesenunterricht? Was erinnern die Studierenden vom Unterricht und wie bewerten sie ihn retrospektiv?

Forschungsfrage 2: Über welche unterrichtsbezogenen Überzeugungen zum Rechnungswesenunterricht verfügen die Studierenden?

In Abschnitt 2 werden die Konzepte subjektive Theorien und berufsbezogene Überzeugungen vorgestellt sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet und aktuelle Forschungsbefunde aus dem kaufmännischen Bereich dargestellt. In Abschnitt 3 wird das methodische Vorgehen skizziert. Abschnitt 4 stellt die zentralen Ergebnisse dar. Abschnitt 5 ist der Diskussion gewidmet. In Abschnitt 6 werden Limitationen der Studie dargestellt und ein Ausblick auf weitere Forschungen gegeben.

2 Theoretische Überlegungen und empirische Befunde

2.1 Überzeugungen und subjektive Theorien – Definitionen, Abgrenzungen, Gemeinsamkeiten

Subjektive Theorien (vgl. Dann 1989; Groeben et al. 1988; Groeben/Scheele 2010), berufsbezogenen Überzeugungen (teachers‘ beliefs) (vgl. Nespor 1987; Pajares 1992; Reusser/ Pauli 2014) oder Sichtweisen (vgl. Seifried 2009) stellen Konzepte dar, mit denen Kognitionen von Lehrpersonen und in weiterer Folge unterrichtliches Handeln beleuchtet werden können. Häufig fehlt es jedoch an einer klaren Abgrenzung der Konstrukte und einer einheitlichen Begriffsdefinition und -verwendung (vgl. Reusser/Pauli 2014, 642; Seifried 2009, 103). Nachfolgend sollen deshalb die Konstrukte subjektive Theorien und berufsbezogene Überzeugungen (teachers‘ beliefs) näher dargestellt werden.

Im deutschen Sprachraum wurde das Konzept der subjektiven Theorien vor allem durch das Forschungsprogramm Subjektive Theorien (FST) geprägt (vgl. Groeben et al. 1988). Im FST vollzieht sich ein Paradigmenwechsel, weg von einem behavioristischen Menschenbild hin zu einem epistemologischen Subjektmodell (vgl. Groeben/Scheele 2010, 151). Unter Bezug auf Kelly (1986), der das Individuum als „man the scientist“ beschrieben hat, betonen Groeben et al. (1988, 16) die Parallelität des Menschen zur Wissenschaftlerin bzw. zum Wissenschaftler. Dem Individuum als Erkenntnisobjekt wird also, anders als bei behavioristische Menschenbildannahmen, die Fähigkeit zur Reflexivität zuerkannt und die Fähigkeit „sich von seiner Umwelt zu distanzieren und unabhängig zu machen, indem es sie mit Hilfe selbst konstruierter Kategorien beschreibt, erklärt und mit Bedeutung versieht.“ (Groeben et al. 1988, 16) Subjektiven Theorien werden ähnliche strukturelle und funktionelle Eigenschaften wie wissenschaftlichen Theorien zugedacht; sie enthalten eine (zumindest implizite) Argumentationsstruktur (bspw. Wenn-dann-Beziehungen oder Um-Zu-Beziehungen), die es erlaubt, Schlussfolgerungen zu ziehen. Subjektive Theorien erfüllen somit, analog zu wissenschaftlichen Theorien, die Funktionen der Situationsdefinition, Erklärung, Vorhersage und Handlungsleitung. Sie unterscheiden sich jedoch im Grad der Explizitheit, Präzision und Systematik von wissenschaftlichen Theorien (vgl. Dann 1989, 248f.; Groeben et al. 1988, 19; Groeben/Scheele 2010, 152).

Anders als für subjektive Theorien, liegt für das Konzept der (berufsbezogenen) Überzeugungen (teachers‘ beliefs) keine einheitliche Begriffsbestimmung vor. So bezeichnet Pajares (1992) teachers‘ beliefs als „messy construct“ und Reusser und Pauli (2014, 642) weisen darauf hin, dass bislang eine akzeptierte Beschreibung bzw. Definition von berufsbezogenen Überzeugungen und eine klare Abgrenzung von anderen Konstrukten wie beispielsweise Einstellungen, Werthaltungen und motivationalen Orientierungen fehlt. Reusser und Pauli definieren berufsbezogene Überzeugungen von Lehrkräften als „affektiv aufgeladene, eine Bewertungskomponente beinhaltende Vorstellungen über das Wesen und die Natur von Lehr-Lernprozessen, Lerninhalten, die Identität und Rolle von Lernenden und Lehrenden (sich selbst) sowie den institutionellen und gesellschaftlichen Kontext von Bildung und Erziehung, welche für wahr oder wertvoll gehalten werden und welche ihrem berufsbezogenen Denken und Handeln Struktur, Halt, Sicherheit und Orientierung geben. Überzeugungen können dabei individueller oder kollektiver Natur, explizit oder eher implizit (intuitiv), fragmentarisch oder sogar widersprüchlich sein oder sich zu personalisierten praktischen (subjektiven) Theorien bzw. zu mehr oder weniger kohärenten, theorieförmigen Handlungs- und Aussagesystemen verbinden.“ (2014, 642f.)

Nach Nespor (1987) sind teachers‘ beliefs mentale Strukturen, die eine affektive Komponente beinhalten, normativ-bewertenden Charakter aufweisen und episodisch gespeichert werden, da sie im Zuge von Erfahrungen, beispielsweise der eigenen Schulzeit, erworben werden. In Abgrenzung zum Wissen sind sie als dezidiert subjektiv empfundene Wahrheiten zu kennzeichnen. Sie drücken also aus, was eine Lehrkraft subjektiv für richtig hält. Ähnlich wie subjektiven Theorien kommt teachers‘ beliefs eine handlungsleitende Funktion zu. Zudem erweisen sie sich als sehr stabil und resistent gegenüber Veränderungen (vgl. Pajares 1992; Reusser/Pauli, 2014). Zusammenfassend können insbesondere die affektive und bewertende Komponente von Überzeugungen, die handlungssteuernde und strukturgebende Funktion, die Stabilität der Überzeugungen, die Verbindung von Überzeugungen zu Überzeugungssystemen oder subjektiven Theorien sowie der teilweise implizite Charakter als wesentliche Merkmale von Überzeugungen genannt werden (vgl. Nespor 1987, 318ff.; Reusser/Pauli 2014, 642).

Seifried (2009, 103f.) argumentiert, dass weniger die inhaltliche Unterschiedlichkeit der Konzepte, sondern vielmehr die unterschiedlichen Forschungstraditionen und verwendeten Forschungsmethoden als mögliche Abgrenzungen zwischen den Konstrukten dienen. So zeichnet sich insbesondere das FST durch die Entwicklung detaillierter Erhebungs- und Auswertungsverfahren aus (vgl. Scheele/Groeben 1988). Unterschiede gibt es vor allem in der internationalen Verbreitung der Konstrukte, wobei international der Begriff teachers‘ beliefs dominierend ist (vgl. Reusser/Pauli 2014, 643). Zudem scheint bei teachers‘ beliefs die affektive Komponente stärkere Betonung zu finden als dies bei subjektiven Theorien der Fall ist, wobei auch hier explizit eine Integration von Kognition und Emotion angesprochen wird (vgl. Groeben et al. 1988, 120). Weiters wird bei subjektiven Theorien die Strukturparallelität zu wissenschaftlichen Theorien und die damit enthaltene Argumentationsstruktur betont. Gemein ist den Konstrukten hingegen, dass sie, in Abgrenzung zu Wissen, als subjektive Erklärungssysteme aufzufassen sind, denen eine handlungsleitende Funktion zukommt und die (zumindest teilweise) domänenspezifisch sind. Weiters ist davon auszugehen, dass Überzeugungen durch eigene Erfahrungen, auch bereits während der eigenen Schulzeit, erworben werden und stabil sind. In weiterer Folge soll, unter Rückgriff auf Reusser/Pauli (2014), der Begriff Überzeugungen verwendet werden.

2.2 Forschungsbefunde zum Rechnungswesenunterricht

Diverse Forschungsergebnisse zeigen[3], dass im Unterrichtsfach Rechnungswesen in einem erheblichen Ausmaß Lern- und Verständnisschwierigkeiten auftreten (vgl. Pawlik 1979, 1980; Schiller 2004; Tramm et al. 1996; Türling 2014). Weiters ist anzunehmen, dass im Rechnungswesenunterricht Lernschwierigkeiten deutlich häufiger auftreten als in anderen Unterrichtsgegenständen, bspw. in der Betriebswirtschaftslehre, und Lernschwierigkeiten kumulieren (vgl. Tramm et al. 1996). Empirische Untersuchungen zeigen zudem, dass der Unterricht von den Lernenden nicht nur als schwierig, sondern auch als trocken, wenig abwechslungsreich und langweilig empfunden wird. Darüber hinaus scheint der Unterrichtsgegenstand Rechnungswesen ein wenig beliebtes Fach zu sein und den Schülerinnen und Schülern wenig Freude zu bereiten. Das Interesse für Rechnungswesen ist geringer als für andere Unterrichtsgegenstände und sinkt im Laufe der Schulzeit (vgl. Greimel-Fuhrmann 2008; Helm 2015, 24; Seifried 2004, 44). Forschungen von Kögler und Wuttke (2012, 80) zur Langeweile im Rechnungswesenunterricht belegen, dass Schülerinnen und Schüler im Rechnungswesenunterricht in zirka 30 – 60 % der Unterrichtszeit Langeweile erleben, was auch das emotional-motivationale Erleben des Unterrichts negativ beeinflusst.

Das Auftreten von Lernschwierigkeiten, Motivationsdefiziten und Langeweileerleben im Unterricht wird in diversen Studien (unter anderem) auf die wenig variantenreiche und lehrendenzentrierte Unterrichtsgestaltung zurückgeführt. Tatsächlich scheint der Rechnungswesenunterricht von einer gewissen methodischen Monokultur geprägt zu sein. Aktivitäten der Lernenden beschränken sich meist auf die Bildung von Buchungssätzen und das Abschreiben von Aufzeichnungen der Tafel. Kaum bis nie hingegen müssen Gedankengänge erklärt, Zusammenhänge dargestellt und analysiert oder Rechnungswesenkenntnisse auf betriebliche Praxisfälle angewandt werden (vgl. Seifried 2004, 42f.). Zudem wird der Großteil der Unterrichtszeit in Plenumsarbeit verbracht, lernendenzentrierte Arbeitsphasen in Partner- und Gruppenarbeiten finden viel seltener statt. Fallstudien, Plan- und Rollenspiele sowie Projektarbeit kommen kaum zum Einsatz (vgl. Jahn 2020, 21ff.; Kögler/Wuttke 2012, 81; Seifried 2004, 41f.; Seifried/Klüber 2006, 8f.). Auch Lehrkräfte geben an, dass sich für das Fach Rechnungswesen der Frontalunterricht besonders gut eignet. Dies wird häufig mit der besonderen Struktur (hochformalisierte und abstrakte Inhalte) des Lehrstoffs begründet. Dementsprechend wird dieser im Unterricht besonders häufig eingesetzt (vgl. Götzl et al. 2013, 18; Seifried 2006a, 586, 2006b, 116). Die einzelnen Unterrichtsstunden sind zudem meist ident aufgebaut und folgen häufig dem gleichen Schema, bestehend aus Hinführung zu einem Thema, gemeinsamer Erarbeitung und anschließender Übungsphase (vgl. Kögler 2015, 270; Seifried, 2004, 41).

2.3 Forschungsbefunde zu unterrichtsbezogenen Überzeugungen im Rechnungswesen

Zu berufsbezogenen Überzeugungen von (angehenden) Lehrkräften, deren Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung, Unterrichtswirkungen (z.B. Lernleistung oder Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler) sowie deren Veränderbarkeit liegen für den allgemeinbildenden Bereich bereits eine Vielzahl an Untersuchungen vor (vgl. Biedermann et al. 2012; Biedermann et al. 2015; Blömeke et al. 2008; Dubberke et al. 2008; Fischler 2000a, 2000b; Hartinger et al. 2006; Schmotz/Blömeke 2009; Voss et al. 2011). Für den berufsbildenden Sektor, insbesondere für den kaufmännischen Bereich, gibt es vergleichsweise wenige Befunde. Qualitative Studien zu Überzeugungen aus der Domäne Rechnungswesen sind nicht bekannt.

Im besonderen Fokus der Erforschung von berufsbezogenen Überzeugungen steht die Ermittlung der sogenannten unterrichtsmethodischen Grundeinstellung (vgl. Neuweg/Mayr 2018) bzw. der Grundorientierung zu Lehren und Lernen (vgl. Seifried 2009) von Lehrkräften. Dazu liegen auch, zumeist quantitative, Befunde aus dem kaufmännischen Bereich vor. Unterschieden wird dabei regelmäßig zwischen instruktivistischen und konstruktivistischen Überzeugungen. Eine konstruktivistische Überzeugung ist dadurch charakterisiert, dass Wissenserwerb von Lernenden durch ihre aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten passiert und die Lehrkraft daher Schüleraktivitäten im Unterricht anregen und fördern muss. Aus instruktivistischer Sicht sind Lehr-Lern-Prozesse von Lehrkräften zu steuern und der Inhalt ist den Schülerinnen und Schülern, möglichst kleinschrittig, zu vermitteln (vgl. Neuweg/ Mayr 2018, 2). Untersuchungen im kaufmännischen Bereich haben gezeigt, dass Lehrkräfte häufig über eine instruktivistische Überzeugung verfügen, wobei meist noch ein weiterer Typus (Koexistenz von konstruktivistischen und instruktivistischen Überzeugungen) gefunden werden kann. Insbesondere im Unterrichtsgegenstand Rechnungswesen, im Vergleich zur Betriebswirtschaftslehre oder Volkswirtschaftslehre, scheinen Lehrkräfte eher über eine instruktivistische Grundeinstellung zu verfügen (vgl. Holtsch 2018, 148). Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich stärker, im Vergleich zu konstruktivistisch orientierten Lehrkräften, als Wissensvermittlerinnen und Wissensvermittler sehen, den inhaltlichen Fokus mehr auf Faktenwissen und die Buchungstechnik des Rechnungswesens legen und stärker den Formalismus und die Schemata der Buchführung betonen. Konstruktivistisch orientierte Lehrkräfte verstehen sich selbst eher als Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter. Sie rücken den Prozess-Aspekt stärker in den Fokus und betonen die notwendige Eigenständigkeit der Schülerinnen und Schüler bei der Problemlösung und Wissenserarbeitung (vgl. Seifried 2009, 237ff.).

Weiters ist davon auszugehen, dass die Grundeinstellung Einfluss auf das unterrichtliche Handeln der Lehrkraft (bspw. Strukturierung des Unterrichts) und in weiterer Folge auf Unterrichtswirkungen (bspw. Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler, Einstellung der Schülerinnen und Schüler zum Schulfach) nimmt (vgl. Hartinger et al. 2006; Neuweg/Mayr 2018). Für den allgemeinbildenden Bereich zeigt sich, dass eine konstruktivistische Grundorientierung tendenziell vorzugswürdig ist (vgl. Reusser/Pauli 2014, 652f.). Für den kaufmännischen Bereich konnten Untersuchungen einen positiven Einfluss einer konstruktivistischen Grundeinstellung der Lehrkraft auf einige Variablen (bspw. geringerer Anteil an Frontalunterricht, bessere Lernleistung der Schülerinnen und Schüler) feststellen (vgl. Seifried 2009, 341f.). Die Befundlage ist hier jedoch sehr uneinheitlich. So konnten einige Studien keinen signifikant positiven Zusammenhang zwischen konstruktivistischer Orientierung der Lehrkraft und Qualität des Unterrichts feststellen (bspw. für die Variablen Lernmotivation, kognitive Aktivierung, Klassenführung, Lernstrategien) (vgl. Holtsch/Sticca 2018, 174ff.; Neuweg/Mayr 2018, 8).

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Datengrundlage und Erhebungsinstrument

Wie bereits erwähnt, haben sich insbesondere im FST detaillierte Erhebungs- und Auswertungsmethoden entwickelt. In Bezug auf berufsbezogene Überzeugungen gibt es hingegen keine einheitliche Forschungsstrategie, wobei sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren zum Einsatz kommen (für eine Übersicht zu verschiedenen Forschungsmethoden siehe Reusser/Pauli 2014). Während quantitative Befragungsmethoden wie Fragebögen Strukturen, Begriffe und bestimmte Themengebiete vorgeben, hat eine unstrukturierte Befragung den Vorteil, dass Aussagen der Befragten ihren eigenen subjektiven Strukturen, Vorstellungen und Relevanzsetzungen entsprechen und nicht durch Fragen der Forschenden begrenzt, vorstrukturiert oder gelenkt werden. Aus diesem Grund wurde für diese Studie die unstrukturierte, schriftliche Befragung als Untersuchungsmethode eingesetzt. Dabei werden die Befragungspersonen im Sinne einer schriftlichen, autobiografischen Erzählung gebeten, Erlebnisse aus ihrem Leben aufzuschreiben, analog dem mündlichen, narrativen Interview sensu Schütze (1983), das häufig in der Biografie- und Lebenslaufforschung eingesetzt wird und bei dem die Befragten mithilfe einer Eingangsfrage zu einer Erzählung aufgefordert werden (sogenannte Erzählaufforderung) (vgl. Flick 2017, 228f.). Die schriftliche autobiografische Erzählung folgt einem ähnlichen Konzept, jedoch werden die Erzählungen von den Befragten verschriftlicht und nicht in einer face-to-face Situation mündlich kommuniziert.

Für das vorliegende Forschungsvorhaben wurden Lernende zweier Lehrveranstaltungen aus dem Diplomstudium Wirtschaftspädagogik (Studienanfänger im ersten Studienabschnitt und Studienfortgeschrittene im zweiten Studienabschnitt) an der JKU Linz gebeten, einen Aufsatz zur Frage „Wie haben Sie den Rechnungswesenunterricht in Ihrer Schulzeit erlebt?“ zu verfassen. Für die Auswertung stehen die Aufsätze von 40 Personen zur Verfügung (n=19 aus dem ersten Studienabschnitt; n=21 aus dem 2. Studienabschnitt)[4]. 60 % der Befragten besuchten eine Handelsakademie, 40 % eine Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe[5]. Der Mittelwert der geschriebenen Wörter liegt über die gesamte Stichprobe bei 856 (Min=500, Max=1046, Spannweite=546, SD=106). Die Studienanfängerinnen und -anfänger verfassten im Schnitt Aufsätze mit 790 Wörtern (Min=500, Max=797, Spannweite=472, SD=100), die Studienfortgeschrittenen mit 914 Wörtern (Min=797, Max=1046, Spannweite=249, SD=73).

3.2 Auswertungsverfahren

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden die Aufsätze nach der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet (vgl. Kuckartz 2018). Zur Entwicklung des Kategoriensystems wurde eine Kombination aus deduktiver (theoriegeleiteter) und induktiver (empirischer) Kategorienbildung gewählt. Dabei wurden in einem ersten Schritt Haupt- und Subkategorien gebildet, die aus verschiedenen Forschungssträngen abgeleitet wurden (Fachdidaktik Rechnungswesen, Literatur zur retrospektiven Unterrichtswahrnehmung von Lernenden, Literatur zu Qualitätskriterien guten Unterrichts, etc.). In einem zweiten Schritt wurden im Zuge des Kodierprozesses weitere Subkategorien induktiv aus dem Material heraus entwickelt (z.B. SK 5.4: Selbstwirksamkeit und Lernerfolge).

Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurde, angelehnt an das Konstrukt der subjektiven Theorien, in den Aufsätzen nach (implizit) vorhandenen Wenn-Dann bzw. Um-Zu-Strukturen gesucht (Beispiel: „Die Lehrkraft erwähnte auch ganz oft die Relevanz des Rechnungswesens in einem Betrieb, was natürlich zur Motivation der Schüler beitrug.“) Die vorhandenen Wenn-Dann-Beziehungen wurden anschließend paraphrasiert (Beispiel: Wenn Relevanz aufgezeigt wird, dann erhöht das die Motivation der Lernenden) und je zwei vorhandenen Subkategorien zugeordnet (Beispiel: SK1.3 Relevanz der Inhalte und SK5.2 Motivation Lernenden). Diese wurden bei Bedarf geringfügig adaptiert bzw. zusammengefasst. In diesem Schritt mussten des Weiteren einige weitere Kategorien induktiv aufgenommen werden (z.B. soziodemografische Merkmale der Lehrkräfte, Übungsfirma). Zur Gewährleistung der Reliabilität der Kodierungen wurde 10 % (5 Aufsätze) des Materials doppelt codiert. Die Inter-Coder-Reliabilität liefert nach Durchführung einer Kodierschulung und Überarbeitung des Kategoriensystems zufriedenstellende Werte (Cohen‘s Kappa = .83). Die Auswertungen der Aufsätze erfolgte mithilfe des Programms MAXQDA Analytics Pro, das auch quantitative Auswertungen ermöglicht. Die Auswertungen der Prozentdaten erfolgten zum Teil mit Excel.

4 Ausgewählte Ergebnisse

4.1 Retrospektive Wahrnehmung des Rechnungswesenunterrichts

Tabelle 1 zeigt, was die Studierenden von ihrem Rechnungswesenunterricht erinnern, mit welchen Kategorien sie also den erlebten Unterricht beschreiben. Dabei wird unterschieden zwischen der Anzahl an Aussagen, die insgesamt zu einer Kategorie getätigt wurden und der Anzahl an Personen, die eine jeweilige Kategorie angesprochen haben. In Summe wurden 865 Textstellen aus insgesamt 40 Aufsätzen kodiert. Nachfolgend werden besonders häufig thematisierte Kategorien bzw. besonders interessante Befunde näher dargestellt.

Tabelle 1: Kategorien zur Beschreibung des Rechnungswesenunterrichts

Kategorien

Kodierungen

gesamt

in %

Anzahl an Personen, die Kategorie thematisiert haben

in %

HK1: Unterrichtsziele und -inhalte

134

15,5%

36

90,0%

SK1.1: Lehrziele

36

 

20

50,0%

SK1.2: Inhalte im Unterricht

51

 

25

62,5%

SK1.3: Relevanz der Ziele/Inhalte

47

 

24

60,0%

HK2: Merkmale der Lehrperson

167

19,3%

39

97,5%

SK2.1: Fachkompetenz

20

 

14

35,0%

SK2.2: Fachdidaktische Kompetenz

82

 

34

85,0%

SK2.3: Interesse am Fach

15

 

13

50,0%

SK2.3: Persönlichkeit

50

 

25

62,5%

HK3: Lernschwierigkeiten

52

6,0%

23

57,5%

SK3.1: Lern- und Verständnisschwierigkeiten

38

 

21

52,5%

SK3.2: schwierige Themengebiete

14

 

10

25,0%

HK4: Klassenklima

33

3,8%

20

50,0%

HK5: lernerseitige Aspekte

102

11,8%

35

87,5%

SK5.1: Interesse am Fach

33

 

20

50,0%

SK5.2: Motivation im Unterricht

27

 

22

55,0%

SK5.3: Lernziele

7

 

7

17,5%

SK5.4: Selbstwirksamkeit und Lernerfolge

35

 

23

57,5%

HK6: Unterrichtsgestaltung

222

25,7%

39

97,5%

SK6.1: Unterrichtsmethoden

54

 

31

77,5%

SK6.2: Sozialformen

8

 

8

20,0%

SK6.3: Schüleraktivitäten im Unterricht

44

 

28

70,0%

SK6.4: Unterrichtsablauf und -organisation

58

 

31

77,5%

SK6.5: Medien

58

 

31

77,5%

HK7: Unterrichts- und Klassenführung

38

4,4%

20

50,0%

SK7.1: Regelklarheit

2

 

2

5,0%

SK7.2: (effiziente) Zeitnutzung

34

 

19

47,5%

SK7.3: Umgang mit Störungen

2

 

2

5,0%

HK8: Leistungsfeststellung/Leistungsbeurteilung

62

7,2%

32

80,0%

HK9: kognitive Aktivierung

55

6,4%

30

75,0%

865

 

40

 
4.1.1 Gestaltung und Ablauf des Rechnungswesenunterrichts

Anteilsmäßig am häufigsten thematisiert wurden Aspekte zur Unterrichtsgestaltung (25,7 % aller kodierten Textstellen; n=39). Studierende berichten also darüber, welche Unterrichtsmethoden und Sozialformen vorwiegend zum Einsatz gekommen sind, welche Medien verwendet wurden und wie eine „typische“ Unterrichtseinheit in der Regel abgelaufen ist. Darüber hinaus sprechen die Studierenden darüber, welche Tätigkeiten sie selbst im Unterricht ausgeführt haben.

Möchte man auf Basis der studentischen Aufsätze ein knappes Bild zur didaktisch-methodischen Gestaltung des Rechnungswesenunterrichts zeichnen, so zeigt sich Folgendes: Der Unterricht wird dominiert von Lehrererklärungen und der anschließenden Bearbeitung von (mehr oder weniger kognitiv anspruchsvollen) Übungsaufgaben. Aktivitäten der Lernenden beschränken sich auf das Abschreiben von Aufzeichnungen von der Tafel, das Mitlesen und Mitmarkieren im Schulbuch und das Bearbeiten von Aufgaben aus dem Buch. Lernendenzentrierte Methoden wie Projektarbeit oder Case Studies scheinen nur sehr selten zum Einsatz zu kommen. Dementsprechend wird die Mehrheit der Unterrichtszeit in Plenums- oder Einzelarbeit verbracht. Folgender Auszug zeigt den Ablauf einer „typischen“ Unterrichtseinheit im Rechnungswesen:

Die Erarbeitung neuer Themengebiete basierte immer auf derselben Vorgehensweise: Das Thema wurde in den meisten Fällen anhand des Lehrbuches gemeinsam angesehen. Entweder ein Schüler las vor oder der Lehrer referierte den Informationsinput. Anschließend zeigte uns der Lehrer die Anwendung anhand eines Beispiels aus dem Lehrbuch. Danach versuchten wir Schüler uns an einem Beispiel. […] Ich kann mich nicht erinnern, dass unser Lehrer auch eine andere Form für die Erarbeitung eines neuen Themengebietes in den 3 Jahren angewandt hat.“ (AA1_04S)

Als Medien werden hauptsächlich das Schulbuch, die Tafel, PowerPoint Folien oder selbsterstellte Zusammenfassungen bzw. Handouts der Lehrkräfte eingesetzt. Dem Schulbuch als Medium scheint eine besondere Rolle zuzukommen, da es einerseits als zentrale Ressource für Aufgaben dient und andererseits häufig den Aufbau der Unterrichtseinheit und der Lehrererklärung steuert: „Grundsätzlich war der Unterricht, […], wirklich sehr stark schulbuchgeprägt. Ich kann mich spontan an keine Schul- bzw. Hausübung erinnern, welche nicht aus dem Schulbuch kam. Dies führte dazu, dass auch der Großteil des Unterrichtsinputs aus Lehrervortrag plus Mitmarkieren im Buch bestand.“ (AA1_10B)

4.1.2 Die Lehrperson im Rechnungswesenunterricht

Ebenfalls häufig werden Merkmale der Lehrperson erinnert (19,3 % aller Aussagen, n=39). Es ist auffallend, dass beinahe alle Studierenden die Lehrkraft ins Zentrum der Erinnerungen rücken. So beginnen sie häufig damit zu beschreiben, wie viele Lehrkräfte sie im Fach Rechnungswesen insgesamt hatten, wie die Lehrkraft aufgetreten ist und wie sie sich verhalten hat. Innerhalb der Kategorie „Merkmale der Lehrperson“ betreffen die meisten Aussagen (zirka 50 %) jene zur fachdidaktischen Kompetenz der Lehrkraft. Rund 30 % der Aussagen betreffen die Lehrerpersönlichkeit und lediglich 12 % der kodierten Textstellen befassen sich mit der fachlichen Kompetenz der Lehrkraft. Fachdidaktische Kompetenz wird vorwiegend aufgefasst als die Fähigkeit, gut und verständlich erklären zu können (55 Aussagen) sowie angemessen auf Schülerfragen zu reagieren bzw. mit Schülerfehlern umzugehen (16 Aussagen), wie die beiden nachfolgenden Aussagen zeigen:

„An was ich mich noch besonders gut erinnern kann waren die Erklärungsweisen der Lehrkraft. Die Lehrkraft bemühte sich immer, uns alles so verständlich wie möglich zu erklären und verwendete dafür ganz oft die Tafel, Federschachteln mit den Stiften oder andere Gegenstände.“ (AA1_02S)

„Die Professorin zeigte so gut wie nie irgendetwas vor. Des Weiteren konnten auftretende Fragen leider nur sehr selten von der Lehrkraft beantwortet werden. Sie versuchte zwar, diese anhand des Buches zu beantworten, scheiterte jedoch meistens.“ (UPH_7)

Bei verständlichen Erklärungen im Rechnungswesenunterricht scheint den Studierenden das Aufzeigen bzw. Verwenden von (vielen) Praxisbeispielen sowie das Beantworten von Warum- und Wozu-Fragen besonders wichtig zu sein. So ist bspw. in einem Aufsatz zu lesen: „Ich finde mit solchen „lebensnahen“ Beispielen war es auch verständlicher und einfacher den Unterschied zu erkennen und man konnte sich mehr darunter vorstellen beziehungsweise war es greifbarer für uns Schülerinnen. Die Vorratsbewertung versuchte die Lehrkraft mit der Federschachtel und den Stiften zu erklären, was ihr auch gut gelang denn ich weiß noch, dass ich es auf Anhieb verstanden habe.“ (AA1_02S)

4.1.3 Kognitives Anspruchsniveau und Verständnisschwierigkeiten

In diesem Zusammenhang ist auch der Aspekt der kognitiven Aktivierung anzusprechen. In dieser Kategorie wurden Textstellen kodiert, die sich damit beschäftigen, ob der Unterricht insgesamt und die im Unterricht eingesetzten Aufgaben als kognitiv anspruchsvoll erlebt wurden, ob sich die Lernenden angemessen gefordert gefühlt haben und ob sie das Gefühl hatten, die Unterrichtsinhalte auch wirklich verstanden zu haben. Auffallend ist, dass es im Rechnungswesenunterricht sehr häufig zum Auswendiglernen von Inhalten kommt und den Lernenden das Verständnis für die Themen fehlt:

 „Die Buchungssätze waren zu der Zeit sowieso noch so abstrakt, dass sie von den meisten nur auswendig gelernt wurden. Soweit ich mich zurückerinnere hat es keinen gegeben […] der im ersten Semester Rechnungswesen wirklich verstanden hat und nicht fast alles auswendig gelernt hat.“ (AA1_13B)

„Ich kann somit abschließend sagen, dass ich während meiner Schulzeit im Rechnungswesenunterricht hauptsächlich Buchungssätze auswendig gelernt habe. An meinem ersten Tag an meinem neuen Arbeitsplatz, war ich nicht einmal in der Lage Soll und Haben ordentlich zu unterscheiden, geschweige denn Belege richtig zu lesen oder die Gewinnauswirkungen von Buchungen richtig zu bestimmen.“ (UPK_7)

Bemängelt werden zudem die wenig variantenreichen Übungsaufgaben, die sich auch im kognitiven Anforderungsniveau nicht unterscheiden und damit eher auf das repetitive Einüben von Buchungssätzen abzielen: „So haben wir einen Buchungssatz nach dem anderen gemacht, immer die gleichen hintereinander nur mit wechselnden Mandanten und im Maximalfall verschiedenen Prozentsätzen.“ (AA1_08S) Angesichts des mangelnden Verständnisses für viele Inhalte im Rechnungswesen ist es auch nicht verwunderlich, dass mehr als die Hälfte der Studierenden (57,5 %) von Lernschwierigkeiten berichtet.

4.1.4 Unterrichtsziele und -inhalte

Wenig überraschend scheint zunächst die Tatsache, dass Unterrichtsziele und -inhalte häufig und von vielen Studierenden thematisiert werden (15,5 % aller kodierten Textstellen, n=36). Auffallend ist jedoch, dass nicht nur berichtet wird, welche Inhalte im Unterricht behandelt wurden, sondern zentral auch darüber, ob die Inhalte als relevant erlebt wurden bzw. ob die Lehrkraft die Relevanz der Inhalte deutlich gemacht hat und welche Ziele die Lehrkraft mit dem Unterricht eigentlich verfolgt hat (z.B. Aufbau von fachübergreifenden Kompetenzen, Vorbereitung auf die Berufspraxis, Verständnis für die Inhalte). Relevanz wird dabei vorwiegend als Relevanz für „die Praxis“ aufgefasst:

„Des Weiteren wurde mir beziehungsweise unserer Klasse nicht vermittelt, warum man einen Jahresabschluss erstellen muss. Wir lernten zwar, wie er erstellt wird, jedoch nicht, wer ihn benötigt und wofür er benötigt wird.“ (AA1_11S)

„Da meine Eltern einen kleinen Betrieb leiten, konnte ich dieses Thema hervorragend auch zu Hause anwenden, ohnehin konnte ich mit meinem Wissen in Rechnungswesen problemlos meinen Vater mit der einfach geführten Buchhaltung helfen.“ (UPH_4)

4.2 Unterrichtsbezogene Überzeugungen von Studierenden der Wirtschaftspädagogik zum RW-Unterricht

In Summe wurden in den 40 studentischen Aufsätzen 89 unterrichtsbezogene Überzeugungen identifiziert. Auch hier ist wiederum auffallend, dass die von den Studierenden geäußerten Überzeugungen sehr oft die Lehrkraft (mit ihren Fähigkeiten, Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften) thematisieren. Rund 50 % der Überzeugungen enthalten die Merkmale der Lehrperson als „einflussnehmende Kategorie“. Die nachfolgende Abbildung stellt die identifizierten Überzeugungen, zugeordnet zu Haupt- bzw. Subkategorien des Kategoriensystem, grafisch dar. Die rot markierten Kategorien wurden nachträglich induktiv aufgenommen. Nachfolgend sollen besonders häufig vertretene Überzeugungen bzw. besonders interessante Überzeugungen näher beschrieben werden.

Abbildung 1: studentische Überzeugungen zum RechnungswesenunterrichtAbbildung 1: studentische Überzeugungen zum Rechnungswesenunterricht

4.2.1 Die Lehrkraft als „zentraler Faktor“

Wie Abbildung 1 zeigt, gibt es bei vielen Überzeugungen eine Verbindung zwischen „Merkmalen der Lehrperson“ und anderen Kategorien, bspw. „lernerseitige Aspekte“, „Unterrichtsgestaltung“ oder „Inhalte im Unterricht/Lehrziele“. In den von den Studierenden (implizit) geäußerten Überzeugungen wird deutlich, dass der Lehrkraft insgesamt eine zentrale und herausragende Rolle bei der (erfolgreichen) Gestaltung von Unterricht beigemessen wird. So wird die Überzeugung vertreten, dass die Lehrkraft als gesamte Person (mit ihren Kompetenzen, Einstellungen, Persönlichkeitseigenschaften) Einfluss auf die Lernenden nehmen kann: „Abschließend ist festzuhalten […], dass ein Lehrer sehr viel Einfluss auf die Schüler nehmen kann und sie in eine Richtung lenkt.“ (AA_04S) Die Lehrkraft hat des Weiteren Auswirkung darauf, ob die Lernenden Gefallen am Unterricht finden und insgesamt motiviert sind:

„Generell würde ich sagen, dass das Gefallen eines Unterrichts immer von den Lehrern und Lehrerinnen abhängig ist.“ (UPK_4)

Eine Überzeugung, die häufiger thematisiert wurde (n=9), betrifft die Möglichkeit, Fachinteresse bei Schülerinnen und Schülern zu fördern. So vertreten einige Studierende die Auffassung, Interesse am Fach bzw. Begeisterung, Freude am Rechnungswesen sei „ansteckend“ und könne, insbesondere wenn die Lehrkraft selbst ausgeprägtes Interesse zeigt, auf die Lernenden übertragen werden: „Die Lehrkraft war richtig euphorisch und unendlich begeistert vom Rechnungswesen und sie konnte die meisten der Klasse, auch mich, mit ihrer Freude und Euphorie anstecken.“ (AA1_02S)

Eine weitere interessante Überzeugung betrifft die Unterrichtsgestaltung (n=11) von Lehrpersonen. So sind viele Studierende davon überzeugt, dass Lehrkräfte grundsätzlich sehr verschieden unterrichten, unterschiedliche Unterrichtsmethoden einsetzen, unterschiedliche thematische Schwerpunkte setzen, unterschiedliche Lehrziele verfolgen und auch bei der Planung von Unterricht sehr heterogen vorgehen:

„Ich hatte das Vergnügen den Unterricht von unterschiedlichen Lehrpersonen zu erleben und dadurch einen Einblick in verschiedene Unterrichtsmethoden zu bekommen.“ (UPK_6)

„Jedoch ist natürlich die Unterrichtsplanung eine sehr persönliche Angelegenheit, die jede Lehrkraft anders handhabt.“ (UPH_11)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sie die Unterschiedlichkeit in der Unterrichtsgestaltung bzw. der verfolgten Lehrzielen unter anderem dem Alter der Lehrperson zurechnen. Es scheint, als würden die Studierenden unterrichtserfahrene, ältere Lehrkräfte als eher instruktionsorientiert sehen:

„Da ich eher noch LehrerInnen der „älteren Generation“ hatte, waren die Lernmethoden auch dementsprechend.“ (UPH_8)

„Mein Professor war schon ein etwas älteres Semester und hatte vielleicht neue pädagogische und fachdidaktische Ansätze noch nicht verinnerlicht.“ (AA1_10B)

„Mit etwas Abstand bin ich auf bestimmte Art und Weise froh, dass ich noch Lehrpersonen der älteren Generation hatte, da diese im Vergleich zu jüngeren Lehrpersonen an unserer Schule größeren Wert auf Genauigkeit und auf die exakte Einhaltung des von Ihnen gewünschten bzw. vorgegeben Schemas gelegt hatten.“ (UPH_8)

4.2.2 Rechnungswesen als abstrakter, trockener Gegenstand

Einige Passagen in den studentischen Aufsätzen deuten darauf hin, dass das Fach Rechnungswesen insgesamt als eher abstrakt, trocken und schwer verständlich gesehen wird. Das führt dazu, dass es in diesem Fach einerseits besonders wichtig ist gut zu erklären, viel zu üben und ein tiefes Verständnis für die Inhalte aufzubauen: „Besonders im Fach Rechnungswesen ist das Erklären und stetige Wiederholen von Inhalten so dermaßen wichtig, da alles mit allem zusammenhängt bzw. aufbauend ist.“ (AA1_14B)

Andererseits macht es das Fach insgesamt schwer zu unterrichten: „Ich glaube sowieso, dass Rechnungswesen eines der schwierigsten Fächer ist zu unterrichten, also am Anfang zumindest bei Schülerinnen und Schüler im Alter von ungefähr 15 Jahren. Die ganze Thematik ‚Unternehmen‘, ‚Finanzen‘ und so weiter ist bei allen noch so abstrakt.“ (AA1_14B)

4.2.3 Triade Verständnis – Relevanz – Freude

Besonders häufig (n=24) thematisiert wird die Verbindung der Kategorien „Aufzeigen von Relevanz/Herstellen von Praxisbezügen“, „Verständnis der Inhalte“ und „Motivation/Freude am Fach“. Abbildung 2 stellt die Beziehung dieser drei Kategorien grafisch dar.

Abbildung 2: Zusammenhängende Kategorien Relevanz –Verständnis – FreudeAbbildung 2: Zusammenhängende Kategorien Relevanz –Verständnis – Freude

Viele Studierende vertreten die Überzeugung, dass das Aufzeigen von Relevanz (Wozu brauche ich die Inhalte?) bzw. das Herstellen von Praxisbezügen durch die Verwendung von Praxisbeispielen einerseits zum besseren Verstehen der Inhalte (n=4), andererseits zu mehr Motivation/Freude am Unterrichtsfach Rechnungswesen beiträgt (n=11). Wird dagegen nicht aufgezeigt, wozu man bestimmte Inhalte benötigt, erschwert dass das Verständnis und trägt des Weiteren negativ zur Motivation der Lernenden bei:

„Des Weiteren wurde mir beziehungsweise unserer Klasse nicht vermittelt, warum man einen Jahresabschluss erstellen muss. […] Dieses fehlende Wissen erschwerte das Verständnis für diesen Unterrichtsstoff zusätzlich.“ (AA1_11S)

 „Ich als Schülerin hatte auch in der vierten Klasse noch keine Lust auf Rechnungswesen, weil nie ein Lehrer versucht hat uns zu zeigen, wozu wir die Inhalte wirklich brauchen.“ (UPH_2)

Interessant ist des Weiteren, dass zwar viele Studierende davon berichten, dass sie selbst im Rechnungswesenunterricht viel auswendig gelernt haben und Verständnisschwierigkeiten hatten, sie vertreten aber gleichzeitig die Überzeugung, dass das Verstehen der Inhalte freudvoller ist als Auswendiglernen und sich auch der Lernaufwand verringert, wenn man die Inhalte wirklich versteht (n=9):

„Ich habe ziemlich schnell Freude an dem Fach Rechnungswesen entwickelt, da es für mich einfach zu verstehen und logisch war.“ (AA1_03B)

„Es macht auch um einiges mehr Spaß, wenn gewisse Hintergründe von Thematiken klar sind und man nicht bloß lernt, weil das so ist.“ (AA1_02B)

5 Diskussion

Studierende erinnern in besonderem Maße die didaktisch-methodische Gestaltung des erlebten Unterrichts. Es ist wenig überraschend, dass solche Sicht- oder Oberflächenstrukturen des Unterrichts besonders erinnerlich sind und daher besonders häufig genannt werden. Dies wurde bereits in anderen Studien zu retrospektiven Unterrichtsbeobachtungen festgestellt (vgl. Fölling-Albers/Meidenbauer 2010). Die studentischen Aussagen zur Gestaltung des Rechnungswesenunterrichts fügen sich weitgehend in die bestehende Befundlage ein (vgl. Götzl/Jahn 2014; Jahn 2020; Seifried 2004, 2008). Der Rechnungswesenunterricht scheint nach wie vor stark lehrendenzentriert und fokussiert auf das monotone und wenig anspruchsvolle Einüben von Buchungsregeln und Rechenschemata zu sein. Dementsprechend scheint häufig das Auswendiglernen von Buchungssätzen im Vordergrund zu stehen, was oftmals zu Lern- und Verständnisschwierigkeiten führt.

Der Lehrperson wird für das Gelingen von Lernprozessen eine zentrale Bedeutung beigemessen. Mit ihnen „steht und fällt“ guter Unterricht. Dies zeigt sich an unterschiedlichen Stellen der studentischen Aufsätze. So führen Studierende Lern- und Verständnisschwierigkeiten häufig zurück auf die mangelnde Erklärfähigkeit der Lehrkräfte, nicht jedoch auf eigene, lernerseitige Merkmale. Fehlendes Interesse am Fach und fehlende Motivation im Unterricht wird ebenfalls auf die mangelnde Fähigkeit bzw. das fehlende Engagement der Lehrkraft zurückgeführt, die Lernenden für das Fach zu begeistern und zu motivieren. Es scheint also so, dass die Studierenden die Verantwortung zur Förderung von Interesse und Motivation zentral bei der Lehrkraft sehen. Gelingt dies nicht, so liegt das an Versäumnissen der Lehrkraft. Konträr dazu zeigt die qualitative Studie von Kirchner (2016) zu Vorstellungen von Lehrkräften im Fach Wirtschaft, dass fehlendes Interesse bzw. fehlende Motivation vorwiegend individuellen Schülerinnen- und Schülermerkmalen zugeschrieben wird. So ist zwar unbestritten, dass Lehrkräften eine zentrale Rolle im Unterrichtsgeschehen zukommt, ihre Einflusskraft ist dennoch nicht unbegrenzt. Verantwortung für gelungenen Unterricht und erfolgreiches Lernen tragen immer Lehrkräfte und Lernende gemeinsam.

An dieser Stelle sind „Ausbildungseffekte“[6] anzusprechen. So ist es erstaunlich, dass sich zwischen Studienanfängerinnen und -anfänger und Studienfortgeschrittenen kaum systematische Unterschiede in der Beschreibung des erlebten Unterrichts zeigen. Studierende verwenden kaum Fachbegriffe zur retrospektiven Beschreibung des von ihnen erlebten Rechnungswesenunterrichts. Zentrale Begriffe wie „kognitive Aktivierung“, „fachdidaktische Kompetenz“, „Lehrerpersönlichkeit“, „professionelle Kompetenz“, „Relevanz“, „Frontalunterricht“, „Unterrichtsmethoden“, „Sozialformen“, etc. kommen in den studentischen Aufsätzen wenig bzw. gar nicht vor. Dies gilt für Studienanfängerinnen und -anfänger sowie für Studienfortgeschrittene gleichermaßen. Interessant ist des Weiteren, dass auch Studienfortgeschrittene, wie oben angesprochen, der Lehrkraft die zentrale Verantwortung für gelungenen Unterricht zuschreiben, obwohl sie im Laufe des Studiums mit Theorien, Modellen und empirischen Befunden konfrontiert werden, die die Rolle der Lehrkraft relativieren und auch die Rolle der Lernenden in den Blick nehmen (z.B. das Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke 2021). Lediglich bei Aussagen zur Relevanz der Inhalte sowie zu den verfolgten Lehrzielen unterscheiden sich Studienanfängerinnen und -anfänger von Studienfortgeschrittenen. So hat sich gezeigt, dass Aussagen über Lehrziele deutlich häufiger (11 zu 25 Aussagen) von Studierenden des zweiten Studienabschnittes angesprochen werden (n=7 zu n=13). Gleiches gilt für Aussagen zur Relevanz der Ziele und Inhalte (10 zu 37 Aussagen; n=8 zu n=16).

Insgesamt scheint das Fach Rechnungswesen den Ruf eines abstrakten, schwer verständlichen und schwer zu unterrichtenden Gegenstandes zu haben. In der Studie von Kirchner (2016) wurde ebenso festgestellt, dass wirtschaftliche Inhalte von den Lehrkräften als abstrakt und komplex gesehen werden und dass die Vermittlung dieser Inhalte daher eine besondere Herausforderung darstellt. In eine ähnliche Richtung gehen die Befunde von Greimel-Fuhrmann, wenn Schülerinnen und Schüler über das Rechnungswesen sagen: „RW ist ein trockener Stoff, und den interessant machen ist schwierig.“ (2003, 63) So ist durchaus plausibel, dass der Unterrichtsgegenstand Rechnungswesen gerade zu Beginn herausfordernd ist, da er nicht unmittelbar an die Alltagserfahrungen der Lernenden anschlussfähig ist. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Abstraktheit und Komplexität der Inhalte als Argumente vorgeschoben werden, warum man im Rechnungswesen gar nicht anders unterrichten könne und nachhaltige Reformen daher abzulehnen seien.

6 Limitationen und Desiderata

Abschließend ist auf einige Limitationen der durchgeführten Studie hinzuweisen. Die Stichprobe ist zwar mit 40 Personen für eine qualitative Studie durchaus angemessen, die Studierenden stammen jedoch lediglich aus vier Lehrveranstaltungen (jeweils zwei Parallelangebote) und zudem nur von einer Universität. Zudem kann berechtigt angenommen werden, dass die Stichprobe verzerrt ist. Es ist einerseits denkbar, dass die untersuchte Gruppe ein zu positives Bild vom Rechnungswesenunterricht zeichnet, da ihnen der Unterricht bzw. der Unterrichtsgegenstand so gut gefallen hat, dass sie es selbst in Betracht ziehen Lehrkraft zu werden. Andererseits gibt es in den studentischen Aufsätzen auch Hinweise darauf, dass es einen gegenteiligen Effekt gibt. So berichten zumindest einige Studierende, dass sie selbst kaufmännische Lehrkraft werden wollen, „um es besser zu machen“ (UPK_7).

Die Art der Befragung bietet den Vorteil, dass die Studierenden unbeeinflusst und gemäß ihren eigenen Relevanzsetzungen berichten können, als zentraler Nachteil ist jedoch die fehlende Möglichkeit der Nachfrage zu nennen. So ist oft uneindeutig, wie genau die studentischen Aussagen zu verstehen sind und es bleibt ein erheblicher Interpretationsspielraum. Zur Klärung von offenen Fragen und insbesondere zur vertieften Auseinandersetzung mit den studentischen Überzeugungen sind daher problemzentrierte Interviews mit einer Teilstichprobe ins Auge zu fassen. Diese Erweiterung der Studie befindet sich gerade in Vorbereitung. Zudem wäre weiters zu klären, inwiefern es sich bei den genannten Überzeugungen um domänenspezifische handelt oder ob es auch Überzeugungen gibt, die fachunabhängig gelten (dies wäre beispielsweise denkbar bei Überzeugungen dazu, dass Interesse/Begeisterung „ansteckend“ sei).

Interessant wäre des Weiteren die Analyse der Entwicklung von Überzeugungen, also inwiefern diese sich im Zeitverlauf (Eintritt ins Studium, im Laufe des Studiums, im Schuldienst) verändern. Jedenfalls scheint es angezeigt, sich im Rahmen des Studiums verstärkt mit den eigenen Überzeugungen auseinanderzusetzen, diese aufzudecken, kritisch zu reflektieren und objektiven Theorien gegenüberzustellen. Die Aussagen der Studierenden zur Praxis des derzeitigen Rechnungswesenunterrichts zeigen zudem einmal mehr, dass Handlungsbedarf besteht und die Weiterentwicklung des Rechnungswesenunterrichts angezeigt ist.

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[1]    An österreichischen Handelsakademien trägt der Unterrichtsgegenstand den Namen „Unternehmensrechnung“. In Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe den Namen „Rechnungswesen und Controlling“. Aus Gründen der Einfachheit und weil oftmals auf den Unterricht in Deutschland (mit wiederum anderen Bezeichnungen verwiesen wird) wird hier durchgängig der Begriff „Rechnungswesen“ verwendet.

[2]    Anders als in Deutschland, wo die kaufmännische Berufsausbildung zentral im dualen System passiert, findet die kaufmännische Ausbildung in Österreich vorwiegend an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) statt, bspw. an Handelsakademien oder Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe. Diese Schultypen stellen demnach auch das zentrale Betätigungsfeld für Wirtschaftspädagoginnen und -pädagogen dar. 

[3]    Anzumerken ist, dass beinahe alle Forschungsbefunde, mit wenigen Ausnahmen (bspw. Greimel-Fuhrmann 2008; Helm 2015), aus Deutschland stammen. Inwieweit die Ergebnisse auch auf das vollzeitschulische System in Österreich übertragbar sind, ist sicherlich diskussionswürdig.

[4]    Personen, die vorher keine HAK oder HLW besucht haben, haben über ihre Erfahrungen mit RW-spezifischen Kursen an der Universität berichtet. Sie wurden aus der Stichprobe ausgeschieden.

[5]    Obwohl es zwischen dem Rechnungswesenunterricht an Handelsakademien und Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe Unterschiede gibt (z.B. hinsichtlich curricularer Inhalte, Stundenausmaß) finden sich in den Beschreibungen des erlebten Unterrichts keine systematischen Unterschiede. Aus diesem Grund wird auf eine getrennte Darstellung verzichtet.

[6]    Studierende aus der Lehrveranstaltung im zweiten Studienabschnitt befinden sich in der Regel im fünften bis achten Semester und haben sich im Laufe ihres Studiums bereits mit vielfältigen Ausbildungsinhalten, wie Lehrerprofessionalisierung, Wirtschaftsdidaktik, Unterrichtsmethoden, Unterrichtsplanung, Leistungsbeurteilung, etc., beschäftigt. Zudem haben sie bereits ein erstes Schulpraktikum absolviert.

Zitieren des Beitrags

Stütz, S. (2021): Der Rechnungswesenunterricht im retrospektiven Erleben von Studierenden der Wirtschaftspädagogik. In: bwp@ Spezial AT-3: Beiträge zum 14. Österreichischen Wirtschaftspädagogik-Kongress, 1-22. Online: http://www.bwpat.de/wipaed-at3/stuetz_wipaed-at_2021.pdf (13.09.2021).