bwp@ 36 - Juni 2019

Historiografische Berufsbildungsforschung

Hrsg.: Karin Büchter, Anna Lambert, Mathias Götzl & Franz Gramlinger

Transformation des Berufsbildungssystems in Ostdeutschland – eine historisch-systematische Studie

Beitrag von Dieter Hölterhoff & Volkmar Herkner
bwp@-Format: Diskussionsbeiträge
Schlüsselwörter: Transformationsprozess, Berufsbildungsforschung, Ostdeutschland, Berufsbildungspolitik, Ausbildungsmarkt, Berufspädagogik

Literaturrecherchen zur Transformationsforschung des Berufsbildungssystems von der DDR zur BRD ergeben eine schwerpunktmäßige Befassung in den 1990er Jahren und danach zu „Jubiläen“, wie BWP 5/2015. Danach findet sich keine relevante Literatur der Berufsbildungswissenschaften.

Fragestellungen für die Folgenforschung des Transformationsprozesses sind u.a. soziale Herkunft und berufliche Ausbildung für den Zugang zum Arbeitsmarkt; Erfolge oder Misserfolge struktureller Berufsbildungsmaßnahmen durch Übertragung der westdeutschen „Erfolgs“modelle auf ein neues Wirtschaftssystem; langfristige Wirksamkeit der Ausbildungsplatzprogramme hinsichtlich des Fehlens gesellschaftspolitischer Folgenanalysen; gesellschaftliche Auswirkungen mangelnden betrieblichen Ausbildungsangebots und der Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen; neue Rolle der Lehrkräfte im Spannungsfeld zuständiger Stellen, Schulaufsicht und Unsicherheiten bezüglich der Weiterbeschäftigung.

Nicht nur eine sozial- bzw. politikwissenschaftliche Betrachtung der Transformation, sondern auch eine explizit berufspädagogische ist unabdingbar, um der Frage demokratiefeindlicher politischer Einstellungen Jugendlicher in Ostdeutschland als Folge der Transformation nachzugehen. Es wird als Feld für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik im Sinne der Untersuchung von Auswirkungen von Berufsbildungsprozessen mit den Grundkategorien der Berufs- und Wirtschaftspädagogik Beruf, Wirtschaft, Pädagogik bzw. Bildung angesehen (vgl. Büchter 2017, 19 f).

The Transformation of Vocational Education and Training in the Former East Germany – A Systematic Historical Study

English Abstract

Research of the literature dealing with the transformation that vocational education and training underwent in the former East Germany following German reunification reveals a tendency to focus on the 1990s and on the anniversaries that followed, such as in the periodical BWP 5/2015 (Vocational Training in Research and Practice). After that, no relevant literature on vocational education sciences can be found.

Areas of research on the impact of the transformation process include the following: social background and vocational education and training as factors influencing access to the labour market; the successes or failures of structural vocational education and training measures brought about by transferring West German "success" models to a new economic system; the long-term effectiveness of training placement programs with regard to the lack of socio-political impact analyses; the social effects of a lack of in-company vocational training opportunities and training outside companies; the new role of instructors in combining the conflicting elements of competent authorities, school supervision and uncertainties regarding continued employment.

It is essential to consider the transformation process not only from the perspective of social or political science but also explicitly from that of vocational education in order to explore the issue of antidemocratic political attitudes among young people in East Germany as a result of the transformation. This is considered to be a field of research that focuses on investigating the effects of vocational education and training processes in terms of the basic categories of occupation, economy, pedagogy and education (cf. Büchter 2017, p. 19 et seq.).

1 Von der DDR-Berufsbildung zu Berufsbildungssystemen der ostdeutschen Länder – Reflexion der Transformation

Das Berufsbildungssystem der auf sozialistischer Planwirtschaft basierenden ökonomischen Ordnung der DDR wurde mit der politischen Wende im Jahre 1990 in nur wenigen Monaten radikal umgestürzt. Obgleich es selbst im Frühjahr 1990 durchaus Bekenntnisse auch aus den Reihen der politisch mächtigen Parteien CDU/CSU und FDP zum Erhalt einiger Elemente aus der beruflichen Bildung der DDR gegeben hatte, wurde sie doch binnen kürzester Zeit ordnungspolitisch nahezu komplett ausgelöscht. Es blieb den neu gegründeten Ländern wenigstens die Option, nicht die Fehler „alter“ Bundesländer zu wiederholen, wie z.B. eine erfolglose Einführung des Berufsgrundbildungsjahres außer im Land Brandenburg oder die Aufnahme der zu dem Zeitpunkt real außer als Bestandteil der Berufsoberschule in Baden-Württemberg nicht mehr existenten Berufsaufbauschule in die ersten Regelungen zur Berufsschule (vgl. Hölterhoff/Kuklinski 2015, 151 f.). Die Berufsaufbauschulen werden immer noch in dem nach wie vor geltenden KMK-Beschluss zur Gliederung des beruflichen Schulwesens genannt (vgl. KMK 1975). Die Transformation hin zu einem Berufsbildungssystem, das den neuen Gegebenheiten der sozialen Marktwirtschaft unterlag, verlief insofern mehr oder weniger geräuschlos, wobei es frühzeitig erste – im Prozess bei den Akteuren nahezu unbekannte und obendrein ansonsten wenig beachtete – Untersuchungen zu diesem Wandel gab (so die rückblickende Bewertung der damaligen Zeit. Anm. d. Verf.; vgl. Hölterhoff 2014, 43 f.).

Ein 2004 vorgelegtes Gutachten für das brandenburgische Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Frauen nennt drei sozioökonomische Entwicklungsphasen

  • „Transformationskrise und (erster) Strukturwandel (bis etwa 1993)
  • Konsolidierung durch vorrangig bauinduzierte Effekte (1994 bis 1995/96) sowie
  • Stagnation und zweite Anpassungskrise (seit 1996/96)“ (MASGF 2004, 9).

In den nunmehr 30 Jahren seit jenem radikalen Umbruch nehmen die fünf ostdeutschen Länder in vielen berufsbildungsstatistisch relevanten Merkmalen insofern Sonderpositionen ein, als dass sie häufig noch immer die Schlusslichter bilden und gegenüber „etablierten“ Ländern der „alten Bundesrepublik“ im Hintertreffen sind. Die drei oben genannten Phasen betrafen letztlich nicht nur Brandenburg, sondern insgesamt die ostdeutschen Länder, was u.a. zur großen Abwanderung junger Menschen, insbesondere junger Frauen gen Westen führte. Diese Feststellung, die anhand des seit 2009 alljährlich erscheinenden Datenreports zum Berufsbildungsbericht sichtbar wird, zeigt noch zehn Jahre später, dass der Transformationsprozess alles andere als reibungslos verlaufen ist. Die Literaturrecherchen zur Transformationsforschung des Berufsbildungssystems von dem der DDR zu dem der BRD ergibt wiederum eine schwerpunktmäßige Befassung in den 1990er Jahren und danach zu „Jubiläen“, wie zum 25jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit (siehe Themenheft in der „Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis“ sowie vgl. Hölterhoff  2014).

Lutz rückte schon 1996 das Verhältnis von Transformationsforschung zur Historiografie in den Fokus. Seinen Beobachtungen nach unterstellte die vorherrschende Sicht auf den Transformationsprozess in Verbindung mit dem hohen Tempo der Veränderungen und die sich darauf beziehenden Forschungen „fast ausnahmslos, ohne daß hierüber explizit diskutiert worden wäre, einen radikalen Bruch mit den bisherigen Verhältnissen … – so, als ob deren Kenntnis von nun an allenfalls noch für den Historiker von Wert sei, jedoch kaum etwas zum Verständnis der aktuellen Entwicklungen und der von ihnen hervorgebrachten Strukturen beitragen könne“ (Lutz 1996, 3).

Diese Feststellung wirft ein Licht auf die, wie noch ausgeführt wird, Veränderungen ohne Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen, wie z. B. die Abschaffung der Berufsausbildung mit Abitur oder die ausschließlich den Regelungen der Partnerländer gehorchende Abwicklung der Lehrlingswohnheime, die entweder privatisiert oder aus Kostengründen ganz geschlossen wurden.

In diesem Beitrag wird versucht, den Bezug zwischen der Umstrukturierung der Wirtschaft in Ostdeutschland, der Transformation und den Folgen für die sozialen Entwicklungen in Zusammenhang mit beruflicher Bildung zu betrachten: Die berufliche Erstausbildung in Form beruflicher Sozialisation kann oft zugleich als letzter Ort eines systematischen Erziehungsprozesses für junge Menschen unter Einbeziehung von Aspekten sozialer Herkunft verstanden werden. Diese Fragen wurden aber bislang ausschließlich aus sozialwissenschaftlicher Sicht untersucht und sind von der Berufs- und Wirtschaftspädagogik hinsichtlich der Folgerungen für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung nicht in den Blick genommen worden (vgl. Albrecht/Gonon/Müller 2018, 189; vgl. Sackmann/Weymann/Wingens 2000, letztere alle Soziologen, d. Verf.).

2 Transformation und Selektion: Vorbetrachtungen

2.1 Abrupter Systemwechsel in der ostdeutschen Berufsbildung

Der Transformationsprozess beginnt – wie nachfolgend gezeigt wird – 1990 mit der Übernahme des Rechts der „alten“ Bundesrepublik Deutschland durch die in der Endzeit befindliche Deutsche Demokratische Republik. Der Systemwechsel in der DDR wird von Wolfgang Merkel aus transformationstheoretischer Perspektive als Kollaps beschrieben (Merkel 1999, 418), der mit einem Legitimationsverlust einherging: der wirtschaftspolitischen, der politischen, der rechtsstaatlichen Ebene, der wohlfahrtsstaatlichen, der ideologisch-moralischen und der nationalstaatlichen Legitimationsebene (vgl. ebd., 419 f.). Innerhalb der von Merkel beleuchteten Systemtheorien spielt im vorliegenden Fall einerseits die Systemtheorie Parsons eine Rolle, weil dieser den Strukturwandel auch als Wandel der normativen Kultur definierte (vgl. Merkel 1999, 78 f.). „Für Demokratien wirkt Wirtschaftswachstum stets legitimierend.“ (ebd., 88) Ob diese These haltbar ist, kann hier nicht untersucht werden, weil die Ausleuchtung der Frage eines Wirtschaftswachstums in den ostdeutschen Ländern für diese Betrachtung nicht zielführend wäre und der Zusammenhang zwischen der Installation des westdeutschen Berufsbildungssystems und einem Wirtschaftswachstum ohne umfassende empirische Untersuchungen nicht möglich ist.

Vor dem 3. Oktober 1990 wurde durch den Staatsvertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion vom 18. Mai 1990 (vgl. Vertrag 1990) für die noch existierende DDR in der wohl nur wenigen Fachleuten bekannten Anlage VI dekretiert:

„Anlage VI Regelungen, die in der Deutschen Demokratischen Republik im weiteren Verlauf anzustreben (Herv. d. Verf.) sind.
Im Verlauf der Errichtung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion sind folgende weitere Regelungen in der Deutschen Demokratischen Republik anzustreben:

II. Wirtschafts- und Sozialunion
...
4. Einführung des Ordnungsrahmens und der Berufsstruktur der Bundesrepublik Deutschland im Bereich berufliche Bildung (Berufsbildungsgesetz: Erster Teil; Dritter Teil 2., 4., 6., 7. Abschnitt; Handwerksordnung: Zweiter Teil; 2., 4., 6., 7. Abschnitt, Dritter Teil; die auf diese Gesetze gestützten Ausbildungs- und Meisterprüfungsregelungen).“

Auf jener Basis wurden noch vor Gründung der neuen Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in der bestehenden zentralistischen DDR die Handwerksordnung (12.07.1990) und das Berufsbildungsgesetz der Bundesrepublik (19.07.1990) in Kraft gesetzt. Damit wurde die vollständige Anpassung der beruflichen Bildung in der DDR an die bundesrepublikanischen Regelungen bereits vor dem 3. Oktober 1990 vollzogen.

Ein bislang weder sozialwissenschaftlich noch berufsbildungspolitisch oder berufspädagogisch ausgeleuchteter Forschungsbereich sind die Folgen der Verunsicherung durch den abrupten Übergang in das neue Berufsbildungssystem. Zumindest was die Literaturrecherche zu diesem Beitrag ergab, ist diese Verallgemeinerung zulässig. Nicht nur illegale Ausbildungsvertragsauflösungen, sondern auch vollständige Einstellung der Ausbildung von Seiten der Betriebe konnten nicht ohne Auswirkungen auf die in Berufsausbildung befindlichen wie auf die ausbildungsplatzsuchenden Jugendlichen und deren Eltern, selbst arbeitslos geworden, auf „Kurzarbeit“ gesetzt oder in der Existenz bedroht, bleiben. (vgl. Stöss 2000, 65 f.)

Der mit dem Transformationsprozess einhergehende Wandel weist eine Besonderheit auf, die sich schlecht in berufsbildungswissenschaftliche, in diesem Fall speziell berufsschultheoretische Kategorien fassen lässt: die gemeinsamen Wurzeln der Berufsausbildung in der DDR und BRD. Angesichts der einheitlichen Strukturierung war die in Betrieben und Kombinaten sowie Berufsschulen bzw. Betriebsschulen, aber auch Kommunalen Berufsschulen in Zusammenarbeit mit Betrieben stattfindende Berufsausbildung in der DDR letztlich auch eine duale Form des Systems der Berufsausbildung (vgl. Hölterhoff  2014, 182), wenngleich die DDR den Begriff „duales System“ aufgrund der sonst leicht erkennbaren Nähe zur „bürgerlichen Berufsbildung“ in der BRD schon allein aus ideologischen Gründen mied und auch in der bundesdeutschen Reflexion strittig ist, inwiefern die DDR ein duales System nach bundesdeutscher Lesart hatte.[1]

2.2 Zum Transformationsbegriff: Verständnisse, Sichtweisen und Befunde

Der Transformationsbegriff ist einerseits ein wissenschaftliches „Allerweltswort“, wie es Kollmorgen, Merkel und Wagener 2015 im „Handbuch Transformationsforschung“ beschreiben (vgl. Kollmorgen/Merkel/Wagener 2015, 11), um die Transformationsforschung als sozialwissenschaftliche, also soziologische, politik- und wirtschaftswissenschaftliche Transformationsforschung mit ausdrücklich der inter- und transdisziplinären Perspektive verpflichtenden komplexen Disziplin zu kennzeichnen (vgl. ebd.). Unter „Transformation“ für den hier untersuchten Aspekt wird der Übergang in eine andere Gesellschaftsform verstanden. Dieser war nicht nur ein Wechsel der Herrschaftsform, sondern ein umfassender Systemwandel mit einer Umgestaltung der gesamten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung (vgl. König 1995, 610). Zusätzlich zur Institutionalisierung des neuen politisch-administrativen Systems war die Ausdifferenzierung einer andersartigen ökonomischen Handlungssphäre vorzunehmen. „Dieser als Transformation zu begreifende … und … zu beobachtende Systemwandel zeichnet sich mithin durch eine gewisse Finalität aus.“ (vgl. ebd. 610) Der Transformationsprozess mit der Einrichtung der Institutionen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und öffentlicher Verwaltung mit der sich überlappenden Vereinigung zweier Staaten umfasste auch das in beiden Staaten geregelte Rechtssystem der Berufsausbildung, das final eben als „neue“ Institution auf dem Gebiet der nunmehr ehemaligen DDR die Beibehaltung des bundesrepublikanischen Berufsbildungssystems in all seinen Facetten bedeutete.

Die Transformationsforschung wurde 1992 – finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) – durch die „Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern e. V. (KSPW)“ begonnen. Mit ihr wurden Maßnahmen zur Regelung und Unterstützung des Transformationsprozesses analysiert und ihre Wirkungen bis 1996 aufgezeigt. Vorausschauend verwies Hans Bertram für den Vorstand der Kommission damals auf die noch zu bewältigende historische Transformationsforschung:

„Dabei ist allen Mitgliedern der Kommission (gemeint ist die KSPW, d. Verf.) natürlich auch bewußt, daß der Transformationsprozeß weitergeht und noch längst nicht abgeschlossen ist. Daher ist es gegenwärtig noch nicht möglich, zu den Entwicklungen in den einzelnen Teilbereichen ein endgültiges und abschließendes Urteil zu fällen. Dies wird mit Sicherheit eine Aufgabe der Historiker in 40 oder 50 Jahren sein.“ (Bertram 1996, XV)

Bezogen auf wissenschaftlich-technische Fachkräfte kommen Lange und Senghass-Knobloch zu folgendem Schluss:

„Mit dem ordnungspolitischen Umbruch und Umbau in den neuen Bundesländern wurden ökonomische Rahmenbedingungen und Rechtsinstrumente, -regeln und -verfahren der alten Bundesrepublik eingeführt. In welchem Ausmaß und in welcher Weise sich aber diese neuen Rahmenbedingungen in der beruflichen Praxis wissenschaftlich-technischer Fachkräfte bemerkbar machen, ist situationsspezifisch.“ (Lange/Senghass 1995, 303)

Transformation wird hier nach dem Epochenumbruch im Jahr 1989 als Gegenstandsbereich für den Übergang von der DDR auf die BRD bezeichnet. Die Transformationsforschung in Gänze zu beleuchten, würde den Umfang dieses Beitrags allerdings bei weitem überschreiten. Abgesehen davon hat die Berufs- und Wirtschaftspädagogik keinen eigenen Transformationsbegriff formuliert, auf den zurückgegriffen werden könnte. Ein solcher hätte Bezug nehmen müssen auf die berufsbildungspolitische und berufsbildungswissenschaftliche Diskussion vor und nach der Einführung des BBiG in der zu dem Zeitpunkt noch existierenden DDR, die allerdings – von Ausnahmen abgesehen – weitgehend ausblieb (vgl. Bake/Hölterhoff 132, 235 f.; Spöttl et al. 2009). Insofern wird in diesem Beitrag  auf die vorliegenden Ergebnisse der sozialwissenschaftlich geprägten Transformationsforschung Bezug genommen. Es wird nicht auf die mittlerweile einsetzende zeitgeschichtliche Sozialforschung eingegangen, weil diese sich nicht mit der beruflichen Bildung befasst, aber ausdrücklich eine inter- und transdisziplinären Perspektive einnimmt und die Komplexität des Transformationsdiskurses aufgreift. (vgl. Goschler/Böick 2017, 16; vgl. Kollmorgen/Merkel/Wagener 2015, 11, 16; Institut für Zeitgeschichte 2019) Derzeit befasst sich das Institut für Zeitgeschichte in München und Berlin mit der Geschichte der Treuhandgesellschaft bis 1994 (vgl. Institut für Zeitgeschichte 2019). Der Forschungsbereich der Treuhandgesellschaft kann für diesen Beitrag insofern ausgeblendet werden, weil er allenfalls für den institutionellen Bereich der Privatisierung von Berufsbildungseinrichtungen der VEB und Kombinate sowie der Umsetzung des Berufsschulgesetzes der Volkskammer vom 19. Juli 1990 in Betracht kommt (vgl. Gesetzblatt der DDR I; Böick 2018).

Die Untersuchungsgegenstände der Berufs- und Wirtschaftspädagogik haben offensichtlich, so eine Interpretation von Albrecht, Gonon und Müller zu den schwerpunktmäßigen Themen und Fragestellungen, die Transformation des westdeutschen Berufsbildungssystems nach Ostdeutschland weder bezüglich der Institutionen und Lernforschung noch der Adressaten und Zielgruppenforschung sowie der beruflichen Sozialisationsforschung zum Gegenstand gehabt (vgl. Albrecht/Gonon/Müller 2016, 197 f.). Insofern muss auf sozialwissenschaftliche Untersuchungen zurückgegriffen werden, um das in diesem Beitrag untersuchte Feld zu umreißen.

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Transformation des Berufsbildungssystems nach dem Ende der 1990er Jahre nur in Bezug auf Einzelaspekte untersucht wurde. Oftmals ergibt sich einerseits allerdings der Eindruck, die Unterschiede im Ost-West-Vergleich seien „naturgesetzlich“ gegeben und bedürfen keiner weiteren Erklärung, geschweige denn Untersuchung. Andererseits gibt es frühe Untersuchungen, in denen sehr genau auf die Risiken und Folgen einer ostdeutschen Ausbildungsplatzkrise in Bezug auf die Einmündung in den Arbeitsmarkt hingewiesen wurde, wie z.B. von Pankoke (2001). „Über die Risiken der Berufseinmündung kommt es zu Abstiegsspiralen, da Arbeitslosigkeit gerade bei Jugendlichen den Abbau der beruflichen Qualifikationen und Motivationen beschleunigen. Mit dem Verfall beruflicher Qualifikation schon im Jugendalter verschärfen sich Defizite der persönlichen Entwicklung: die Übernahme von Verantwortung, […]. Arbeitslosigkeit wird so zur Entwicklungskrise gestörter Normalität und beschädigt Identität, …“ (Pankoke 2001, 229).

Auch weitere Untersuchungen beziehen sich, wie bereits ausgeführt eher auf sozial- und politikwissenschaftliche und arbeitsmarktpolitische Fragestellungen, in denen – wenn überhaupt – die berufliche Bildung eher implizit vorkommt und die Folgen nicht berücksichtigt werden. Ausnahmen bilden u.a. von Below/Goedicke (2001), MASGF (2004), Hölterhoff (2014), Hölterhoff/Kuklinski (2015), Herkner (2015). Das bereits angeführte Gutachten im Auftrag des brandenburgischen Arbeitsministeriums aus dem Jahr 2004 über zehn Jahre Förderpolitik benannte als eine Zieldimension auch die Herstellung von sozialer, geschlechtsspezifischer, regionaler und finanzieller Chancengleichheit (vgl. MASGF 2004, 19). Zielindikatoren waren für die soziale Chancengleichheit u.a. die Förderfallzahlen in berufspädagogischen Maßnahmen (vgl. ebd., 21). Allerdings kommen die Verfasser hinsichtlich dieser Zielebene zu einem nicht berufspädagogisch elaborierten Vorschlag, die „auf besondere Risikogruppen ausgerichtete[n] Förderinstrumente – wie beispielsweise das Programm ‚Berufspädagogische Maßnahmen’– [sind] mit allen relevanten Akteuren abzustimmen und arbeitsteilig sowie berufsadäquat fortzusetzen“ (MASGF 2004, 252). Für die berufliche Bildung und nicht nur die Ausbildungsplatzsituation besteht aufgrund bislang nicht erfolgter systematischer Untersuchungen durch die Berufsbildungswissenschaften der Bedarf, die Entwicklungen im Transformationsprozess zu analysieren. Im Sinne einer Angleichung der Ost-West-Verhältnisse ist der Transformationsprozess gerade im berufsbildenden Bereich noch lange nicht abgeschlossen. Laut IAB sinkt die Auszubildendenquote, der Quotient der Summe aller hochgerechneten Auszubildenden des Bezugsjahres (Zähler) und der Summer aller hochgerechneten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Nenner) zum Stichtag der Befragung, von 2010 bis 2016 im Osten unter den Wert des Westens (IAB 2018a, 11 f.), nachdem sie im Osten von 2000 bis 2008 höher lag, wobei festzuhalten ist, dass dieser Unterschied sich auf alle Branchen außer Unterricht und Erziehung bezieht (vgl. ebd., 13) und sich auf die Betriebsgrößen erstreckt: „In Ostdeutschland betrug die Auszubildendenquote in den Kleinst- und Kleinbetrieben 3 %, in Betrieben mit 50 bis 499 Beschäftigten 4 % und in den Großbetrieben 3 %.“ (IAB 2018a, 11)

Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf die deutlich niedrigere Ausbildungsberechtigung der Betriebe in Ostdeutschland (vgl. IAB 2018a, 17 Tab. 4). Doch die zeitliche Distanz erscheint ausreichend, wenn nicht sogar überfällig, um einerseits mit dem notwendigen Abstand Vorgänge bewerten zu können und andererseits Zeitzeugen sowie „Relikte“ dieser jüngeren deutschen Vergangenheit nutzen zu können.

2.3 Fragen zum Untersuchungsbereich

Ausgewählte Stichpunkte für eine nach wie vor notwendige Erforschung unter Bezug auf die von Bertram geschätzten 40 oder 50 Jahre (vgl. Bertram 1996, XV) sind u.a.

  • soziale Herkunft und berufliche Ausbildung, wie z.B. soziale Ungleichheit beim Zugang zu berufsqualifizierender Ausbildung aufgrund eines mangelnden auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots bis Mitte der 2010er Jahre
  • Erfolge oder Misserfolge struktureller Berufsbildungsmaßnahmen durch Übertragung der westdeutschen „Erfolgs“modelle auf ein ungleiches, sich erst herausbildendes neues Wirtschaftssystem mit weitgehend bekannten Folgen, wie dem Zusammenbruch des vormaligen Ausbildungssystems mit illegaler Auflösung bereits abgeschlossener Ausbildungsverträge sowie dem Entstehen eines inflationären Marktes an Anbietern von über- und außerbetrieblicher beruflicher Bildung. Bei diesen Anbietern handelte es sich einerseits um die etablierten westdeutschen Anbieter und andererseits die ehemaligen Werkstätten der Betriebs- und Betriebsberufsschulen der umstrukturierten und/oder abgewickelten Kombinate und VEB.
  • die langfristige ausbildungsbedarfsbezogene und gesellschaftspolitische Untersuchung der Wirksamkeit der Ausbildungsplatzprogramme über 2012 hinaus. Es fehlen insbesondere gesellschaftspolitische Folgenanalysen. „Viel hilft nicht immer viel: Wirkung von Fördermaßnahmen im Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung – Einführung und Überblick“ konstatierte Weiß (2015).
  • gesellschaftspolitische Auswirkungen aufgrund eines mangelnden betrieblichen Ausbildungsangebots und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit der staatlichen Unterstützung durch das Ausbildungsplatzprogramm Ost APRO oder durch die Bundesagentur für Arbeit in Form geförderter Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen. Dazu gehört auch, die Abwanderung Jugendlicher und junger Erwachsener in die neuen Bundesländer mit deren Folgen in den Blick zu nehmen.
  • Rolle der Berufsschule generell hinsichtlich der berufspädagogischen Herausforderungen insbesondere auch bei außerbetrieblichen Ausbildungen im Hinblick auf berufliche Perspektiven und ebenso das Hineinfinden der Lehrkräfte in ihre neue Rolle im Spannungsfeld der zuständigen Stellen, der Schulaufsicht und der Unsicherheiten bezüglich der Weiterbeschäftigung.
  • Rolle der Berufsbildungspolitik als Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik zur Anpassung des Sozialstaats an die Globalisierung.
  • Berufsbildungswissenschaftliche Bearbeitung des Transformationsprozesses.

Bereits diese wenigen, als Auswahl aufzufassenden Hinweise zeigen, dass nicht nur eine sozial- bzw. politikwissenschaftliche oder politikdidaktische Betrachtung, sondern eine berufsbildungswissenschaftliche Befassung im Nachgang zur erfolgten Transformation, d.h. also des gesamten Umbruchs in der beruflichen Bildung erforderlich ist. Damit besteht auch die Möglichkeit, sich dem Aspekt rechter bis rechtsradikaler, d.h. demokratiefeindlicher politischer Einstellungen Jugendlicher in Ostdeutschland aufgrund mangelnder Perspektiven respektive gemachter Erfahrungen nachzugehen. Explizit liegt hier ein Feld für die Berufs- und WirtschaftsPÄDAGOGIK im Sinne der Untersuchung von Auswirkungen von Berufsbildungsprozessen. „Zu den Grundkategorien der Berufs- und Wirtschaftspädagogik gehören zunächst die im Disziplinnamen enthaltenen Begriffe: Beruf, Wirtschaft, Pädagogik bzw. Bildung.“ (Büchter 2017, 19 f.) Diese vier Begriffe sind in den oben nicht abschließend formulierten Fragen enthalten. Eine umfassendere Analyse ist im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht leistbar. Hinzuweisen ist auf einen Beitrag von Pukas zu „Berufsschulpolitik und politische Bildung – (k)ein Thema für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik“, in dem er folgert: „Die BWP sollte sich gerade in der krisenhaften Entwicklung der globalisierten Welt mit dem Umbruch zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft mehr denn je als politische Wissenschaft verstehen und sich auf verschiedenen Wirkebenen für den angemessenen Stellenwert des beruflichen Schulwesens im Bildungssystem überhaupt sowie in Bezug auf den technisch-ökonomischen und sozialen Wandel im Besonderen stark machen.“ (Pukas 2010, 101)

Beispielhaft für vorliegende Untersuchungen zu Jugendfragen im Rahmen der Transformation soll hier die seit 1991 landesrepräsentative Zeitreihenstudie „Jugend in Brandenburg“ in bislang acht Teiluntersuchungen (1991, 1993, 1996, 1999, 2001, 2005, 2010, 2017) zu Veränderungen in der Lebenssituation und in den Einstellungen Jugendlicher im Land Brandenburg genannt werden. Auch diese wurde wiederum aus sozialwissenschaftlicher Sicht erarbeitet (vgl. Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung e. V.; Zugriff 20.01.2019) und umfasst keine berufsbildungswissenschaftlichen Fragestellungen. Erwähnt wird diese Studie, weil hier Schülerinnen und Schüler der Oberstufenzentren (die beruflichen Schulen im Land Brandenburg) einbezogen werden. Eine ähnliche Studie legten Sackmann, Weymann und Wingens vor (vgl. Sackmann/Weymann/Wingens 2000, vgl. Abschn. 3.1).

Dem Resümee von Burkhard Lutz aus dem Jahr 1996, dass der rasche Transfer der westdeutschen Institutionen in die ostdeutsche Wirtschaft und Gesellschaft Anpassungsprozesse in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen auslöste und die westlichen Verhältnisse die dazu adäquate Folie lieferte, ist für den hier untersuchten Teil der Transformationsforschung zuzustimmen. (vgl. Lutz 1996, 1 f.)

3 Ausgewählte Aspekte zur historisch angelegten Studie

3.1 Soziale Herkunft und berufliche Ausbildung – Aspekte struktureller Probleme

Soziale Herkunft und berufliche Ausbildung sind im Kontext der Systemveränderungen, wovon die Veränderung des Wirtschaftssystems ein wesentlicher Teil ist, zu betrachten. Dies gilt insbesondere für die Berufsausbildung und den Zugang zu ihr. Wolfgang Merkel konstatiert in seinen grundlegenden Untersuchungen zur Transformation, dass die sozioökonomische Modernisierung aus modernisierungstheoretischen Überlegungen Effekte in Hinblick auf die Demokratisierung hat. Insbesondere stärke die Modernisierung mit der Mittelschicht eine soziale Klasse, die den Klassengegensatz mildert und aufgrund ihrer Ausbildung und wirtschaftlichen Stellung stark an politischer Partizipation interessiert sei (Merkel 1997, 87 f.). Wie bereits oben angesprochen (vgl. Abschnitt 2), geht die Transformationsforschung von positiven Effekten des Wirtschaftswachstums auf die demokratische Legitimierung aus (vgl. Merkel 1997, 87 f.). Die Bundesregierung betont im Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2016, dass sich die ostdeutsche Wirtschaft insgesamt gut entwickelt hat. Sie sei international wettbewerbsfähig, und der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung liege in den neuen (!) Ländern heute höher als in der Europäischen Union (vgl. BMWi 2016, 18). Wenig vorher wird konstatiert, dass strukturelle Besonderheiten den wirtschaftlichen Angleichungsprozess nur noch langsam vorankommen lassen, wozu „wirtschaftsstrukturelle Defizite wie insbesondere die Kleinteiligkeit der Wirtschaftsstruktur“ zählen (ebd. 15). Mit anderen Worten: Alles ist in bester Ordnung, und ein Zusammenhang mit politischen „Ereignissen“ in den ostdeutschen Ländern wird nicht nur nicht beachtet, sondern negiert.

Diese volkswirtschaftlichen Daten lassen keine Rückschlüsse auf die betriebliche Realitäten und damit auf die betriebliche Sozialisation junger Menschen, insbesondere Auszubildender zu. Es wird vielmehr ausschließlich ein Aspekt des deutsch-deutschen Zusammenwachsens benannt. Die dahinterliegenden sozialwissenschaftlichen und berufsbildungswissenschaftlichen Fragen, z.B. nach der Wirkung betrieblicher Sozialisation oder nach der Wirksamkeit berufs- und wirtschaftspädagogischer Ansätze zur Gestaltung der beruflichen Bildung, die eben auch mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen verknüpft sind, ist bislang eher nicht Gegenstand berufsbildungswissenschaftlicher Forschung. Die Formulierung von Büchter, Tramm und Klusmeyer „Die berufliche Bildung ist seit jeher durch ein unlösbares, interdependentes Verhältnis von Ökonomie und (ökonomischer) Bildung gekennzeichnet.“ (Büchter/Tramm/Klusmeyer 2018, 1) weist auf die Notwendigkeit eines disziplinübergreifenden Forschungsansatzes hin. Wenn die Ökonomisierung der beruflichen Bildung auch „Gegenstand von Bildungsprozessen [sein soll, d. Verf.], über deren inhaltlichen Ausrichtung und Zuschnitt curriculare und didaktische Entscheidungen zu treffen sind“ (ebd.), dann geht es nicht mehr nur um den Erwerb fachwissenschaftlicher Kenntnisse der Wirtschaftswissenschaften, sondern vielmehr um die Verbindung zur politischen Bildung, die in Form von Wirtschafts- und Sozialkunde immerhin Prüfungsgegenstand ist.

Wenn dieser These gefolgt wird, dann ist die ökonomische Bildung eben auch als politische Bildung in einem nicht nur ökonomisch determinierten System zu verstehen. Daraus folgt, dass die berufs- und wirtschaftspädagogische Qualifizierung des Personals – und hier sind nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch das betriebliche Ausbildungspersonal gemeint – nicht nur die berufliche Fachrichtung, sondern auch das häufig gewählte bzw. für die Berufsschule benötigte sogenannte „allgemeinbildende“ Unterrichtsfach Politik oder Wirtschafts- und Sozialkunde ebenso wie andere nichtaffine „Zweitfächer“ einbeziehen sollte. Wenn, wie Rebmann, Tenfelde und Uhe schreiben, die erste Phase des Studiums angehender Berufsschullehrkräfte sich durch Wissenschafts- und Berufsorientierung auszeichnen soll, jedoch Unklarheit über die Herstellung der Verbindung zwischen beiden Orientierungspunkten bleibt und gleichzeitig die Förderung beruflicher Handlungskompetenz und Professionalisierung für die Arbeit an beruflichen Schulen dem Referendariat zuordnet, dann findet offensichtlich die erforderliche Verbindung der beruflichen Fachrichtung und des allgemeinbildenden Faches nicht statt (vgl. Rebmann/Tenfelde/Uhe 2005, 210 f.). Ähnlich wären Pahl und Herkner heranzuziehen, die im „Handbuch Berufliche Fachrichtungen“, auch wenn der Titel nichts anderes unterstellt, keinen Hinweis auf die Zweitfächer und ihre berufsbezogenen Didaktiken geben (vgl. Pahl/Herkner 2010).

Bieten nun die Berufsbildungswissenschaften, um an dieser Stelle eine Weiterung vorzunehmen, bezüglich der Fragen nicht  Referenzpunkte, bleibt nur der Rückgriff auf die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung. Oder sind es „vornehmlich die Pädagogik bzw. die Erziehungswissenschaften, die sich auch um Fragen der Bildung und Erziehung im Hinblick auf Beruf und Wirtschaft ‚kümmern‘“? (Arnold/Gonon/Müller 2016, 15)

Die bislang wesentlichen Untersuchungen zur betrieblichen Sozialisation wurden durch die Studien von Lempert/Ebele 1965 (vgl. Schütte 2010) sowie von Lempert 1971 (vgl. Lempert 1971; Arnold/Gonon/Müller 2016, 179 f.), also lange vor den sogenannten Wendejahren nach 1989 vorgelegt. Lempert bezeichnet 2006 mit der beruflichen Sozialisation die Persönlichkeitsentwicklung in der betrieblichen Ausbildung und Arbeit (vgl. Lempert 2006). Wie offensichtlich randständig diese Fragestellung in der berufsbildungswissenschaftlichen Forschung ist, zeigt ein Hinweis von Arnold, Gonon und Müller zur Fachliteraturauswahl für das Basiscurriculum des Lehramtsstudiums, in dem das Lernen im Betrieb völlig außer Acht gelassen worden sei (vgl. Arnold/Gonon/Müller 2016, 183).

Die soziale Herkunft kann, so Hillmert und Weßling 2014, als wichtiges Merkmal sozialer Ungleichheit im Bildungserwerb interpretiert werden (Hillmert/Weßling 2014, 73). Sie benennen anhand der bisherigen Forschung, „dass die Zugangschancen zu qualifizierender gegenüber nicht- oder teilqualifizierender Ausbildung stark nach sozio-strukturellen Merkmalen variieren“ (ebd.).

Unter Hinweis auf zahlreiche Untersuchungen verweisen Hillmert und Weßling auf die Bedeutung des elterlichen Sozialstatus für den Schulerfolg sowie die kumulative Wirkung der sozialen Herkunft über die absolvierten Bildungsschwellen, die sich – vermittelt durch die vorangegangene Schulkarriere – indirekt als sozialer Statuseffekt auch in den Zugangschancen zu beruflichen Qualifizierungsgängen niederschlagen (vgl. Hillmert/Weßling 2014, 73). Anzumerken ist allerdings, dass die Autoren nicht nach Ost- und Westdeutschland differenzieren.

3.2 Teilhabe an der beruflichen Bildung

Seeber, Baetghe et al. gehen im „Ländermonitor Berufliche Bildung“ auf den Kontext der sozialen Integration in Bezug auf eine Teilhabe an der beruflichen Bildung ein: „Berufliche Bildung ist in einer doppelten Perspektive auf gesellschaftliche Teilhabe bezogen: zum einen durch ihren Beitrag zur Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung, zum anderen dadurch, dass sie durch die Vermittlung der qualifikatorischen Voraussetzungen für die Erwerbsarbeit eine wichtige Grundlage materieller Lebensgestaltung und sozialer Einbindung schafft. In welchem Ausmaß sie dies für unterschiedliche soziale Gruppen erreicht, entscheidet über deren Teilhabechancen.“ (Seeber/Baetghe et al. 2018, 140) Mayer und Solga beklagen hinsichtlich der Datenlage zwei gravierende Forschungsdefizite: „Zum einen reichen die meisten Datenquellen nur bis zum Ende der neunziger Jahre. Zum anderen liegen für die Datenquelle, die als [sozio-oekonomische] Panelstudie (vgl. Wagner 2008) bis in die Gegenwart reicht, häufig nur Querschnitts- sowie kaum bis an den aktuellen Rand reichende Längsschnittauswertungen vor. Es ist daher nicht nur bemerkenswert, dass das sozialwissenschaftliche Interesse am Vereinigungsprozess sehr rasch abgeklungen ist, sondern auch, dass alle Bilanzen, die bisher zum 20. Jahrestag der Vereinigung vorgelegt wurden, auf Querschnittsdaten oder Aggregatdaten beruhen.“ (Mayer/Solga 2010, 11)

In den 1990er und 2000er Jahren, den beiden Jahrzehnten einer unzureichenden Anzahl an Ausbildungsplätzen bei steigender Nachfrage, wurde ein Teil der berufsbildungspolitischen Diskussion unter dem Stichwort der mangelnden Ausbildungsreife geführt (vgl. Berufsbildungsberichte ab 1990). Angesichts des in Ostdeutschland nahezu vollständigen Zusammenbruch des bisherigen, dem dualen Berufsbildungssystem durchaus ähnelnden Ausbildungssystems der DDR bekam das sog. Ausbildungsplatzprogramm Ost APRO der Bundesregierung von 1996 bis zum Ausbildungsjahr 2009/2010 (vgl. Förderprogramme berufliche Bildung), verbunden mit dem Ausbau der außerbetrieblichen Ausbildung durch die bekannten Träger der westdeutschen AFG-geförderten Berufsbildungslandschaft, auf der Grundlage eben dieses Arbeitsförderungsgesetzes AFG in der Variante AFG Ost § 40 c 4[2] (vgl. GBl DDR Teil I Nr. 36 1990), das vom 28. Juni 1990 bis zum 2. Oktober 1990 galt, einen immensen Stellenwert. Letztlich erfolgte aus der Ausbildungsmarktsituation heraus eine Stigmatisierung auf drei Ebenen:

  • Anstieg der berufsvorbereitenden Maßnahmen ohne notwendigerweise verbesserte Chancen am Ausbildungsmarkt (vgl. Hillmert/Weßling 2014, 73),
  • Anstieg des stark reglementierten sog. Schulberufssystem mit und ohne marktfähigen Abschluss und bis zur BBiG-Novelle 2005 geringer Anrechnungsmöglichkeit auf eine Berufsausbildung nach BBiG sowie
  • die landes- und bundesseitig sowie von der Bundesagentur für Arbeit geförderte außerbetriebliche Ausbildung sowie die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher und die durch das BBiG 2005 ermöglichte Berufsausbildungsvorbereitung gemäß §§ 86 - 70.

Zum Teil fanden diese „Bildungskarrieren“ kumulativ mit sich verstärkender negativer Wirkung bei Bewerbungen statt: Als Königsweg der dualen Berufsausbildung wurde und wird an dieser Stelle jener vom erfolgreichen Abschluss der Sekundarstufe I direkt und ohne „Warteschleifen“ in eine betriebliche Berufsausbildung verstanden. Die in den Warteschleifen und Bildungskarrieren enthaltene Diskriminierung, die die oben von Pankoke zitierten Defizite weiter verstärken können, fand häufig Eingang in die Diskussionen mit den Arbeitsagenturen bei der Problematik der Vermittlung „Unversorgter sowie Altnachfrager“. Auch in den bislang nicht untersuchten Debatten von Landesausschüssen für Berufliche Bildung gemäß BBiG (BBiG § 82 f.) wurde dies regelmäßig thematisiert. Für die Gewerkschaften war das ein herausragendes Thema (so die Erfahrungen langjähriger berufsbildungspolitischer Diskussionen in den BBiG-Gremien, D. H.). Seit Jahren geht es in den Stellungnahmen um „Passungsprobleme“ (vgl. Berufsbildungsbericht 2017, 2018, auch BIBB 2017, Karte 6). Das BIBB befasste sich berufsbildungspolitisch mit dieser Problematik, wie beispielhaft anhand der Aussage des damaligen BIBB-Präsidenten Kremer zur Jobstarter-Auftaktkonferenz 2006 zu belegen ist: „Zusammengezählt sind das knapp 150.000 Nachfrager, die bis zum 30. September keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Durch die Nachvermittlungsaktivitäten nach dem 30.09. wird sich diese Größenordnung vermutlich auf 100.000 bis 110.000/120.000 Jugendliche einpendeln. Die meisten von ihnen stehen nicht auf der Straße, sondern sind in Bildungsgängen, in denen ihnen auch sinnvolle zusätzliche Qualifikationen und Kompetenzen vermitteln, die aber häufig genug auch sogenannte ‚Warteschleifen’ sind, mit denen Bildungszeiten ohne wirklichen Nutzen verlängert werden.“ (Kremer 2006, 3)

Im Bildungsbericht 2016 wird hinsichtlich des Einstiegs in das Berufsbildungssystem nicht zwischen ost- und westdeutschen Jugendlichen, sondern nur noch zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen differenziert, was angesichts des prozentualen Anteils ausländischer Jugendlicher in Ostdeutschland auf den Prüfstand zu stellen wäre (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 102 f.). Die Autorinnen und Autoren des Berufsbildungsberichts 2018 unterteilen zwar weiterhin in vielen Bereichen nach Ost- und Westdeutschland, jedoch nicht mehr für die erfolgreiche Einmündung sog. Altbewerber/-innen. Die in diesem Beitrag zur Diskussion gestellte Problematik findet sich auch nicht mehr in den Stellungnahmen der Gruppen der Beauftragten im Berufsbildungsbericht 2018 wieder. (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 147 f.)

Daten bezüglich der „Warteschleifen“ und der nachfolgenden Lösung des „Passungsproblems“ sind 2018 im „Ländermonitor Berufliche Bildung“ von Seeber/Baetghe u.a. vorgelegt worden. „In den ostdeutschen Flächenländern spielen die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, vor allem die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB), seit Längerem eine deutlich größere Rolle in der Berufsvorbereitung als in den westdeutschen Flächenländern und Stadtstaaten (Anteil der BvB-Maßnahmen an den Neuzugängen in den Übergangssektor aktuell: östliche Flächenländer 39 %, westliche 15 %).“ (Seeber/Baetghe et al. 2018, 133)

Bei dieser ausbildungsplatzpolitischen Debatte, die sich immer auch auf das Übergangssystem erstreckte, wurde und wird der in der DDR übliche Verlauf von der Polytechnischen Oberschule über die Berufsberatung und ggf. -lenkung sowie die generelle „Versorgung bzw. Lenkung“ mit einem Ausbildungsplatz, der wie im Westen auch, nicht immer dem Wunschberuf entsprach, zu schnell ausgeblendet. Damit wird der Blick auf die aus der Vergangenheit nachwirkenden Wahrnehmungen der Lebensrealität der Menschen in den ostdeutschen Ländern verstellt. Ebenso wenig gibt es bekannte Untersuchungen hinsichtlich des eigenen Wertebildes in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatzverlust der Eltern oder eines Elternteils in Folge der Betriebsschließungen und den sich daraus ergebenden Folgerungen für eigene politische Koordinaten im neuen Wertesystem. (vgl. Matthes 2002, Matthes/ Lichtwardt/Mayer 2004) „Der Grad der Entwertung berufsfachlicher Qualifikationen war vor allem von der Kompatibilität des bisherigen Berufs mit dem neuen Wirtschaftssystem abhängig.“ (Sackmann/Wingens 1996, 21)

Sackmann et al. haben Lebensverläufe der Generation der Wende bezüglich Bildung, Beruf, Betrieb und Familie von Absolventinnen und Absolventen des dualen Systems und der Universitäten der Jahre 1985, 1990 und 1995 bezogen auf ihren ersten Berufseintritt untersucht (vgl. Weymann/Sackmann/Wingens 2000, 8).

Hinsichtlich der tatsächlichen Wirkung auf die betroffenen Jugendlichen – und auch ihren Eltern – ist Hillmert und Weßling zu folgen: „Für den Zugang zum nicht-akademischen Berufsbildungssystem ist dieser Einfluss bislang wenig untersucht. Wenn überhaupt, dann wird die soziale Herkunft zumeist nur über einen einzelnen Aspekt (z. B. Schulbildung der Eltern) berücksichtigt. Dieser Umstand ist nicht zuletzt der Datenlage geschuldet.“ (Hillmert/Weßling 2014, 73)

Die Veränderungen der Berufsschulstruktur kann in diesem Zusammenhang nicht unbeachtet bleiben. Drei Jahrzehnte positiver Erfahrung mit der Berufsausbildung mit Abitur seien zu wichtig, wie bereits 1991 der damalige niedersächsische Kultusminister Prof. Rolf Wernstedt formulierte, als dieses Konzept einfach wegzuwerfen (vgl. Schäfer/Marx 1991, 113). Die soziale Herkunft spielte eine Rolle, weil das Arbeiterkind die gleichen Möglichkeiten haben sollte, das Abitur abzulegen wie ein Kind aus der Schicht der Intelligenz. Die Nichtakzeptierung der KMK 1990 des am 30. Juni 1960 vom Ministerrat der DDR in den „Grundsätze(n) zur weiteren Entwicklung des Systems der Berufsausbildung in der Deutschen Demokratischen Republik“ beschlossenen Bildungsgangs bekommt noch einmal für Menschen, die diesen Bildungsweg absolviert haben, aktuell einen negativen Beigeschmack angesichts der vom Zentralverband des Deutschen Handwerks ZDH angestoßenen Debatte und dem daraus seit 2010/11 laufenden Modellversuch „Duale Berufsausbildung mit Abitur“ in Sachsen sowie weiteren noch nicht abgeschlossenen Erprobungen in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen (vgl. ZDH 2018). In den erwähnten „Grundsätzen …“ der DDR wurde die Berufsausbildung mit Abitur als Hauptweg zur Entwicklung von Hochschulkadern genannt. Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass es „für diesen neuen Bildungsweg […] in der Geschichte des deutschen Bildungswesens kein Beispiel“ gibt (Baske/Engelbert 1966, 88).

Schäfer sieht für dieses Thema ein hervorragendes Feld wissenschaftlicher Forschung. Zuzustimmen ist seiner Feststellung, dass für diesen Teil des Transformationsprozesses keine wissenschaftliche Begleitung oder Evaluation vorgesehen war, was letztlich zu einem Verlust an Erfahrungen und Erkenntnisse geführt hat (Schäfer 1991, 143).

3.3 Ausbildungsplatzprogramme und gesellschaftliche Auswirkungen

In dem mehrfach herangezogenen Gutachten über die Wirksamkeit der brandenburgischen Förderpolitik (vgl. MASGF 2004) stellt wird festgestellt, dass einerseits die Zufriedenheit mit betrieblicher und betriebsnaher Ausbildung im Gegensatz zur vollzeitschulischen Ausbildung nach BBiG/HwO relativ hoch ist, jedoch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit über sechs Monate nach der Ausbildung hinaus bis 2004 stetig anstieg (vgl. ebd., 157). Ein besonderes Augenmerk legten die Verfasser der Studie auf die Risikogruppen und identifizierten aus den Umfragen mehrere Risikogruppen für Arbeitslosigkeit. Zu denen gehören insbesondere Ausgebildete in Berufen mit hoher Arbeitslosigkeit, wie Bauberufe und Warenkaufleute, in Berufen mit überproportional hoher Ausbildungsquote, solche aus strukturschwachen Regionen, die aus schulischen Bildungsgängen, Marktbenachteiligte und die, die mehr als zwei dieser Merkmale aufweisen (vgl. ebd., 158). Damit lässt sich an die Charakterisierung von Pankoke hinsichtlich der besonderen Risiken anknüpfen (vgl. Abschnitt 2.2). Die genauere Analyse dieser Zusammenhänge ist schwierig, weil, wie Matthes ausführt, es weniger an theoretischen Modellen zum Erwerbseinstieg mangele als an einer theoretischen Basis für die Verknüpfung der gesellschaftlichen und individuellen Perspektive (vgl. Matthes 2003, 292).

In den Untersuchungen im Rahmen des Forschungsnetzwerks „Demografie und Fachkräftesicherung“ in den ostdeutschen Ländern wird herausgestellt, dass es nach den Jahren des Ausbildungsplatzmangels nunmehr eine Umkehrung gibt (vgl. Jahn et al. 2018). Die Ergebnisse der einundzwanzigsten Welle des Betriebspanels Brandenburg (Brandenburg nimmt nicht an dem Forschungsnetzwerk teil, d. Verf.), dass im ersten Halbjahr 2016 die brandenburgischen Betriebe rund 72.000 Fachkräfte suchten, bei allerdings unveränderter Zahl der Einstellungen, was zu einer weiteren Zuspitzung der Fachkräfteengpässe führte, liefert jedoch ein anderes Bild.

Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Ostdeutschland ist laut IAB von 2013 mit 5.390.641 auf 2017 mit 5.820.957 gestiegen und der Anteil mit Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung liegt 2017 bei 61,5 %, einem im genannten Zeitraum marginal oszillierendem Wert (vgl. IAB 2018). Betrachtet man die Arbeitslosen, so ergibt sich folgendes Bild: Generell sind 52,2 % mit beruflicher Ausbildung gemeldet, davon unter 25 Jahre 7,5 % und bis unter 35 Jahre 25,2 %. Das sind Werte, die sich angesichts des auch in Ostdeutschland bestehendem Fachkräftemangels nicht ohne Weiteres erklären lassen.

Dieser Zusammenhang wurde in den bisherigen berufs- und wirtschaftspädagogischen sowie sozialwissenschaftlichen Untersuchungen eher randständig und wenn, implizit betrachtet. Es werden einerseits zwar immer wieder berufsbildungspolitische Reformkonzepte vorgelegt, die mit hohem Mitteleinsatz Qualitätsmängel und Ungerechtigkeiten in der Ausbildung beseitigen sollen (vgl. Büchter/Kipp 2014, 7). Allerdings nehmen andererseits „in der Berufsbildungsforschung im Vergleich dazu intensivere theoretische und empirische Auseinandersetzungen mit dem Ausbildungsalltag von Jugendlichen, mit ihren Wahrnehmungen, Einstellungen und Erwartungen im Hinblick auf ihre Ausbildungssituation, ihre Interessen an und Vorstellungen zu Veränderungen von Ausbildung, Betrieb und Gesellschaft, mit ihrem politischen Bewusstsein, ihren Unterstützungs- und Solidaritätswünschen und -erfahrungen in der Ausbildung eine eher geringe Bedeutung ein“ (ebd. 8).

Die Bewertung der Ausbildungsplatzpolitik des brandenburgischen Arbeitsministeriums für den Zeitraum 1990 bis 2000 geht u.a. der Frage nach der Herstellung der Chancengleichheit am Ausbildungsmarkt sowie der Sicherung einer nachhaltigen Infrastruktur der Berufsbildung nach (vgl. MASGF 2004).

So sehen Seeber, Baetghe et al., dass sich die Integrationskraft des dualen Systems insbesondere bei Jugendlichen mit maximal Hauptschulabschluss in nahezu allen Ländern wegen fehlenden Zugangs verschlechtert hat (vgl. Seeber/Baetghe et al. 2018, 144). Als besondere Herausforderung sehen sie den anhaltenden Rückzug der Betriebe aus der Ausbildung sowie die regionalen Disparitäten zwischen Ost- und Westdeutschland. Damit stellen sie bei fehlendem Ausgleich nachdrücklich die Frage nach der Funktionalität der korporatistisch regulierten Marktsteuerung des dualen Systems (vgl. ebd., 145). Hinsichtlich der Auswirkungen der „Maßnahmen“ als generell genutztem ausbildungsplatzpolitischen Begriff bar jeglichen berufspädagogischen respektive berufsbildungspolitischen Gehalts spitzen Seeber, Baetghe et al. zu: „Kennzeichnend für das Maßnahmenangebot des Übergangssektors waren in den letzten 20 Jahren eine mangelnde Effektivität im Sinne fehlender Anschlussperspektiven sowie eine hohe Intransparenz der vielfältigen Angebote.“ (vgl. Seeber/Baetghe et al. 2018, 41)

Heisler und Schlemmer kommen in ihrer Betrachtung zur Ökonomisierung des berufs- und sozialpädagogischen Handlungsfeldes der beruflichen Integrationsförderung, die den Kernbereich der außerbetrieblichen Ausbildung sowie des Übergangssystems darstellen, u.a. zu dem Ergebnis, „dass seit 2011 die Zahl unversorgter Jugendlicher zwar tendenziell steigt, die Teilnehmerzahlen in den Fördermaßnahmen jedoch weiter sinken“ (Heisler/Schlemmer 2018, 7).

In ihren Schlussfolgerungen aus den Befragungen der Akteure kommen sie u.a. zu dem Ergebnis, dass durch die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik an Effizienz, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit die pädagogischen Ansätze der Beruflichen Integrationsförderung hätten verändert werden müssen, diese jedoch ausschließlich der Ökonomisierung diente. (vgl. ebd. Heisler/Schlemmer 2018, 17). Bereits 2008 kommt die Autorengruppe Bildungsberichterstattung zu einer kritischen Bewertung des Übergangssystems.

„Zwar gelingt es, mit viel Zeit- und Personaleinsatz etwa der Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Übergangssystem eine qualifizierende Ausbildungsperspektive zu vermitteln. Auf der anderen Seite steht der nicht erfolgreiche Teil derjenigen, für die aller Zeit- und Lernaufwand vergeblich bleibt.“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, 168)

4 Aufgabenfelder für die Berufsbildungsforschung

In Anlehnung an Büchters Anregung zur Wiederbelebung und Modernisierung des bildungstheoretischen Diskurses wäre es sinnvoll, die Lernenden als Personen in ihrer Lebenswelt und den damit zusammenhängen Werteorientierungen in den Mittelpunkt der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung als Teilbereich der Transformationsforschung zu betrachten (vgl. Büchter 2017, 24). Dies gehört auch in den Kontext des oben bereits erwähnten Ansatzes von Büchter, Tramm und Klusmeyer (vgl. Abschnitt 3.1) „die (berufs- und wirtschaftspädagogische, d. Verf.) Auseinandersetzung mit Ökonomie und Ökonomisierung (soll sich, d. Verf.) nicht mehr nur auf die Frage nach dem Erwerb fachwissenschaftlicher Kenntnisse der Wirtschaftswissenschaften konzentrieren, sondern sie hat wirtschaftliche Entscheidungen und Handlungen im Kontext politischer, sozialer und ethischer Problemstellungen mit dem Ziel aufzunehmen, Ökonomie als Bildungsgegenstand und Prozesse der Ökonomisierung im Berufsbildungssektor in sozialer und ökologischer Verantwortung kritisch beurteilen und gestalten zu können.“ (Büchter/Tramm/Klusmeyer 2018, 1) Die Fokussierung auf Ökonomie und ökonomische Bildung stellt darauf ab, „mündige Bürger moderner Marktgesellschaften auszubilden, die die Fähigkeiten besitzen, informiert und reflektiert an gesamtgesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen“ (Lenger 2018, 1). Allerdings kann allenfalls vermutet werden, dass berufsbezogene politische Bildung implizit zum Tragen kommt, nicht jedoch im Sinne einer politischen Reflexion der Ökonomie.

Schütte ging 2010 in seinen disziplinhistorischen Anmerkungen zur Vorgeschichte des BBiG auf einen der dominierenden Teilaspekte des Diskurses zwischen 1959 und 1969 ein, indem er „von einem demokratietheoretischen Diskurs, der die Mitbestimmung, die Partizipation in den Institutionen, die Ordnungspolitik, die Bürgergesellschaft zum Gegenstand machte“ (Schütte 2010, 137) sprach. Insbesondere bezog sich Schütte dabei auf die Studie von Lempert und Ebel von 1965, wodurch u.a. die berufsausbildungspraktischen und berufsbildungspolitischen Defizite der früheren Jahre empirisch qualifiziert worden seien (vgl. Schütte 2010, 145). Arnold, Gonon und Müller beziehen sich 2016 auf eben diesen Aspekt, indem sie ebenfalls unter Bezug auf Lempert (Leistungsprinzip und Emanzipation 1971) den Lempertschen Mündigkeitsbegriff für den Menschen in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat herausstellen. Lemperts Forderung, dass sich die empirische Bildungsforschung der beruflichen Sozialisation insbesondere auch im Betrieb widmen müsse, wird hervorgehoben (vgl. Arnold/Gonon/Müller 2016, 179). Lempert befasste sich mit der „Beruflichen Sozialisation“ dann erneut explizit 2006. Er definiert „Sozialisation“ in seinem Verständnis im weitesten Sinne als „die Prozesse und Ereignisse der Auseinandersetzung der Person mit ihrer sozialen Umwelt und mit sozial gestalteten gegenständlichen Handlungsbedingungen, soweit diese Auseinandersetzung sich in der Persönlichkeitsentwicklung […] niederschlägt“ (Lempert 2006, 2). Unter diese Prämisse betrachtet Lempert die „Frankfurter Lehrlingsstudie“ von 1974, die der Frage der „Einflüsse beruflicher Sozialisation auf ausbildungsbezogene Einstellungen, gesellschaftliche Orientierungen und Muster des Umgangs mit sozialen Normen“ (Lempert 2006, 75) nachging. Er weist auf eine der Folgerungen, die für diesen Beitrag zentral ist, hin: „Berufliche Sozialisation führt bei diesen Jugendlichen [gemeint sind Auszubildende, Anm. d. Verf.] dazu, insgesamt konsistenter auf normative Anforderungen zu reagieren […]“ (Lempert 2006, 75).

Unter Bezug auf diesen Denkansatz erscheint es dringend geboten, die betriebliche und berufsschulische Sozialisation im Sinne eines gemeinsamen Erziehungsauftrages hinsichtlich der Einübung demokratischen Handelns genauer zu untersuchen (wie in Abschnitt 3.1 angesprochen).

Neben der betrieblichen Ausbildung ist die Rolle und Umsetzung des gemeinsamen Erziehungsauftrages gemäß der KMK-Rahmenvereinbarung zur Berufsschule aus dem Jahr 2015 näher zu betrachten. Da heißt es in den Ziffern 1.1 und 1.2

„1.1 Die Berufsschule und die Ausbildungsbetriebe erfüllen in der dualen Berufsausbildung einen gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Gemäß ihrer Stellung als eigenständiger Lernort arbeitet die Berufsschule als gleichberechtigte Partnerin mit den an der Berufsausbildung Beteiligten zusammen.

1.2 Sie hat die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern den Erwerb berufsbezogener und berufsübergreifender Kompetenzen unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der Berufsausbildung zu ermöglichen. Sie befähigt zur Ausübung eines Berufes und zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung. […]“ (KMK 2015)

Soweit, so gut – aber wie im Abschnitt 3.1 bereits ausgeführt, fehlen Folgerungen der KMK, diese bezüglich der sog. „Elemente…“ (vgl. KMK 2008) respektive der Länder hinsichtlich lernfeldorientierter Rahmenlehrpläne für Wirtschafts- und Sozialkunde. Eine detaillierte Analyse der sechszehn Rahmenlehrpläne ist hier zeitlich nicht möglich, insofern wird u.a. auf die Aussagen von Besand rekurriert: „Sind wir in der politischen Bildung – ob schulisch oder außerschulisch – eigentlich in der Lage, Zielgruppen anzusprechen, die sich nicht schon von alleine für Politik interessieren? Hintergrund ist die auch in anderen Bildungsbereichen immer offensichtlicher werdende Vernachlässigung breiter Bevölkerungsgruppen bei der angemessenen Gestaltung und Adressierung von Bildungsangeboten.“ (Besand 2014, 119)

Für diesen Sachverhalt lässt sich auf Wolfgang Lempert in „Leistungsprinzip und Emanzipation“ zurückgreifen, der unter Bezug auf Hermann Giesecke – offensichtlich zeitlos – fomulierte „In allen genannten Institutionen (gemeint sind allgemeinbildende und berufliche Schulen, d. Verf.) wird – unter welcher Bezeichnung auch immer – politischer Unterricht erteilt. Dieser Unterricht kann – darüber dürfte nach allem Bisherigen kaum noch Ungewißheit bestehen – nur insofern mündige Staatsbürger heranbilden helfen, als er die gegebenen politischen und sozialen Realitäten radikal in Zweifel zieht.“ (Lempert 1971, 94)

Im Weiteren verweist Lempert auf die Undurchführbarkeit der Trennung von Beruf und Politik und die Unmöglichkeit, dass eine Berufsschullehrkraft – Lempert spricht noch vom Gewerbelehrer – politische Bildung nicht an der beruflichen Bildung vorbei vermitteln kann (vgl. Lempert 1971, 96). Bezogen auf die Unterrichtssituation schließt sich daran der Hinweis von Zurstrassen auf die Lernfelddidaktik, mit der bildungspolitische und berufspädagogische Reaktionen auf die neu definierten Arbeitsmarktanforderungen formuliert wurden (vgl. Zurstrassen 2013, 6). Wenn nun der Bildungsauftrag der Berufsschule, wie ihn die KMK formuliert, ernst zu nehmen ist, dann sind „den Lernenden Reflexionsräume zu eröffnen und Perspektivenerweiterung zu ermöglichen“ (ebd., 6).

Allerdings lässt der Beschluss der KMK zur „Beruflichen Schule 4.0“ aus dem Jahr 2017 (vgl. KMK 2017) erkennen, dass die Länder als Verfasser der Beschlussvorlage die betriebliche Sozialisation im Sinne des Bildungsauftrages der Berufsschule (vgl. KMK 2015) nicht berücksichtigen und damit hinter den von ihnen formulierten Bildungsauftrag zurückfallen und sich auf die fachliche Ebene begrenzen. Ketzerisch gefragt: Was sind Lernfelder ohne betriebliche Realität? Insofern erschließt sich auch nicht, in welchem Zusammenhang diese Beschlüsse zueinanderstehen. Auf der Homepage der KMK heißt es unter dem Stichwort Demokratiebildung zu dem Beschluss „Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule“ von 2018 (vgl. KMK 2018a).

„Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen sowie des rasanten Voranschreitens der Digitalisierung hat die Kultusministerkonferenz ihre Empfehlung aus dem Jahr 2009 neugefasst und am 11. Oktober 2018 unter dem Titel ‚Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule‘ verabschiedet.“ (KMK 2018b)

Damit bleibt in dieser Beliebigkeit unklar, welche berufsbildungspolitische Linie die Länder in der schulischen beruflichen Bildung verfolgen. Sind an dieser Stelle möglicherweise einige Großbetriebe weiter? Tagungsbeiträge auf den vom Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (KWB), das für den Ausschuss Berufliche Bildung der KMK der Ansprechpartner für die Wirtschaft ist, organisierten Tagungen der kaufmännischen Ausbildungsleiter sowie der gewerblich-technischen Ausbildungsleiter im Jahr 2010 lassen anhand eines Berichtes vermuten, dass zumindest Großbetriebe auch auf diesem Gebiet der Berufsausbildung arbeiten. So nehmen sich beispielhaft zwei Unternehmen dieser Aufgabe unter der Überschrift „Erziehungsauftrag Ausbildung – Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung“ an (KWB 2010, 27 f.):

„Verantwortung für sich, für andere und für die Gesellschaft zu übernehmen, ist ebenso wie die Werteorientierung elementarer Bestandteil der Ausbildung (…). Auszubildende und duale Studenten sollen während ihrer Ausbildung und ihres Studiums die Möglichkeit erhalten, sich als Individuen und als Teams gesellschaftlich zu engagieren. Im Rahmen des jährlich ausgelobten konzerninternen Wettbewerbes ‚Verantwortung gewinnt‘ werden die besten Projekte der Nachwuchskräfte vorgestellt und ausgezeichnet“ (Faller/Schütze 2010, 28) und „Bei Abenteuer Kultur ist jeder Einzelne gefragt, sich einzubringen und sich auf das Theaterspiel einzulassen. In der Auseinandersetzung mit dem fremdem Medium Theater und fremden Texten entdecken die Lernlinge (so die von Faller/Schütze gewählte Bezeichnung, d. Verf.) neue Seiten an sich selbst, lernen in der Gruppe zu arbeiten und Ängste zu überwinden.“ (Faller/Schütze 2010, 30)

Auf den folgenden Ausbildertagungen sind solche Themen nicht mehr aufgerufen worden.

An dieser Stelle ist auf die Ausbildung und die Aufgaben des betrieblichen Ausbildungspersonals gemäß § 30 Abs. 5 BBiG sowie der sich darauf beziehenden Ausbilder-Eignungsverordnung AEVO (BGBl 2009 Teil I Nr. 5) hinzuweisen. Grundlegend war die Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) vom 25.06.2009, in der als einziges gesellschaftspolitisches Thema „ein ausgeprägteres Bewusstsein für nachhaltige Wirkungen im Umweltschutz“ erwähnt wird. Außerdem findet sich noch der Hinweis auf „interkulturelle Kompetenz“ in dem empfohlenen Rahmenplan im Handlungsfeld 3 „Ausbildung durchführen“, das 45 % des Ausbildungsanteils umfassen soll, wieder. So heißt es:

„3.7 die soziale und persönliche Entwicklung von Auszubildenden zu fördern, Probleme und Konflikte rechtzeitig zu erkennen sowie auf eine Lösung hinzuwirken,

  • interkulturell bedingte Ursachen für Konflikte zu erkennen und konstruktiv damit umzugehen, (…)

3.9 interkulturelle Kompetenzen zu fördern,

  • anderen Kulturkreisen offen zu begegnen und kulturell bedingte Unterschiede positiv aufzugreifen (interkulturelles Lernen).“ (Rahmenplan für die Ausbildung der Ausbilder und Ausbilderinnen 2009, 22 f.)

An der Erarbeitung der HA-Empfehlung waren in einem Fachbeirat Sachverständige der Arbeitgeber und Arbeitnehmer beteiligt. Es fällt auf, dass die Länder nicht vertreten waren, wobei 2009 ohnehin nur zwei Vertreter der Berufsschulseite ausweislich der Teilnehmerliste überhaupt einen Sitz im HA hatten. Inwieweit sich die Berufs- und Wirtschaftspädagogen aus dem Wissenschaftlichen Beirat des BIBB beteiligt haben, ist nicht ersichtlich.

In der Bewertung ist jedoch herauszustellen, dass sich weder die Berufs- und Wirtschaftspädagogik an diesen Debatten beteiligt, noch die Länderschulseite zur Diskussion um die AEVO an der Schnittstelle zur Demokratieerziehung Position bezogen hat. Insofern ist die Wertigkeit sowie Bedeutung von Beschlüssen nicht nur für die alltägliche Arbeit von Berufspädagoginnen und Berufspädagogen zu bezweifeln. Es stellt sich auch die Frage, ob und wie solche Beschlüsse, wenn sie nicht nur bedrucktes Papier sind, in die Praxis umzusetzen sind, z.B. durch die viel beschworene Lernortkooperation.

Und an dieser Stelle ist auf eine Herausforderung in der Verbindung von Zielsetzungen für die AusBILDUNG an allen Lernorten der beruflichen (Erst-)Ausbildung hinzuweisen. Anknüpfend an die Debatten der 1920er Jahre kann Aloys Fischer herangezogen werden. Die Berufsschule der Zukunft – so Fischer damals – muss ihren kulturphilosophischen Auftrag erkennen und die ästhetische, sittliche, soziale und religiöse Erziehung aus der Volksschule vertiefend fortsetzen (vgl. Fischer 1967).

Der gemeinsame Bildungsauftrag der Lernorte gemäß § 2 Abs. 2 BBiG, der auch im „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (Berufsbildungsmodernisierungsgesetz – BBiMoG)“ vom Dezember 2018 beibehalten werden soll, beinhaltet einen weiter gefassten Bildungsauftrag als nur die unmittelbare Ausbildung für einen Beruf. Gemünzt auf Bildungs-, Erziehungs- und Qualifizierungsauftrag hieße dieses, dass eine didaktisch-funktionale Differenz zwischen den Lernorten immer erkennbar bleiben sollte. Von daher böte sich zunächst an, duale berufliche Ausbildung als gemeinsamen Bildungs- und Qualifizierungsauftrag von Schule und Betrieb anzusehen, bei dem die Schule stärker den Bildungs- und der Betrieb stärker den Qualifizierungsauftrag wahrnimmt, ohne das jeweils nicht benannte des gemeinsamen Auftrags gänzlich zu verneinen, wie es z.B. in der politischen Bildung der Fall ist. Für die Erziehung wären beide Lernorte gleichermaßen verantwortlich. (vgl. Herkner/Hölterhoff 2018, 286)

Aus berufspädagogischer Perspektive spricht gegen eine Lernort-Zuweisung, dass Bildung ein ganzheitlicher Prozess ist. Bildung hört weder am Betriebstor auf noch fängt sie dort oder an der Eingangstür der Berufsschule erst an. Auch durch das Erlernen einer Verrichtung in einem Betrieb lassen sich Bildungseffekte feststellen. Insbesondere kann durch Erfolge im betrieblichen Milieu Zuversicht, Selbstvertrauen, Mut und in der Konsequenz soziales Eingebundensein erwachsen, etwa in einer Praxisgemeinschaft (community of practice). Zudem sollte nicht vergessen werden, dass Menschen insgesamt am meisten außerhalb formaler Lernprozesse und damit nonformal bzw. sogar informell lernen. Den Effekt kann man daher auch beim beruflichen Lernen nicht geringschätzen. Mit Giesecke ließe sich zudem auf das vom ihm für die Allgemeinbildung konstatierte Verschwinden der politischen Bildung hinweisen, die den Zukunftsbezug verloren zu haben scheint. „Verliert sie (die politische Bildung, d. Verf.) aber der jetzt Heranwachsenden aus dem Blick, kann sie das schlecht mit der Vergangenheit ihrer Urgroßeltern rechtfertigen oder gar kompensieren.“ (Giesecke 2000, 158)

5 Gescheiterte Transformation oder allmähliche Annäherung – Fazit und Ausblick

Mit Verweis auf den Verdienst von Krause und Ostner konstatieren Mayer und Solga, dass wichtige offene Fragen für eine neue Phase der „Transformationsforschung“ identifiziert werden und ein erneutes Forschungsinteresse wecken (vgl. Krause/Ostner 2010, 320). Krause und Ostner haben mit den SOEP-Daten sowie weiteren Datenquellen, auf die hier nicht explizit verweisen wird, die Lebensbedingungen untersucht. Dabei ging es beispielsweise um „Zufriedenheit, Sorgen und Wohlbefinden ebenso wie Einstellungen und Werte sowie Lebensbedingungen und Zukunftserwartungen ost- und westdeutscher Jugendlicher“ (vgl. ebd. 30, 31, 161).

Inwiefern solche Daten auch durch die erfolgte – je nach Sicht: gelungene oder gescheiterte – Transformation des Berufsbildungssystems in Ostdeutschland beeinflusst wurden und immer noch werden, ist eher als offen anzusehen und kann nicht pauschal beurteilt werden. Die Transformationsforschung wird heute auch als Zukunftsforschung interpretiert, bei der es darum gehen würde, die Bedingungen für eine ökologisch auf Nachhaltigkeit angelegte zukünftige Gesellschaftsform zu ergründen. Unterschiede solcher Daten zwischen Ost- und Westdeutschland mit den bis 1989/90 jeweils vorherrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen zu erklären, fällt mit zunehmendem zeitlichem Abstand immer schwieriger und ist angesichts regionaler Differenzen etwa auch zwischen Nord- und Süddeutschland zuweilen zu kurz gedacht. Denkbar wäre, ohne die Bundeszuständigkeit für die duale Berufsausbildung gemäß Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 GG aufzugeben, in Verbindung mit einer begleitenden ausdrücklich berufsbildungs- und nicht sozialwissenschaftlichen Forschung eine stärkere Regionalisierung von Berufsbildungspolitik vorzunehmen, um im Sinne des Artikel 72 Abs. 2 GG[3] eine verfassungsrechtliche Neujustierung vorzunehmen. Auf dieser Grundlage ließe sich die Leitidee der Berufsbildung „Befähigung zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft, und die viel zitierten Grundfähigkeiten nach Klafki – Fähigkeit zur Selbstbestimmung, zur Mitbestimmung und Solidarität – auch auf die Befähigung zur Kritik an und Gestaltung von der eigenen Ausbildung, den Betriebs- und Berufsschulalltag durch die Auszubildenden selber und auf die Förderung von politischem Bewusstsein in der Gesellschaft“ (Büchter/Kipp 2014, 3), wieder aufgreifen und in ein das Individuum förderndes duales sowie schulisches berufliches Bildungssystem einpassen.

Der Übergang vom planwirtschaftlichen System der DDR zum marktwirtschaftlichen der „alten“ Bundesrepublik war für viele Menschen im Osten im beruflichen Bereich sehr schmerzhaft, hat allerdings zugleich vielen auch neue Chancen eröffnet. Ein derart radikaler Umbruch ist einmalig in der deutschen Geschichte. Fraglich, aber heute nicht mehr handlungsrelevant ist die Frage, ob die Radikalität des Auslöschens aller Elemente der DDR-Berufsbildung politisch „alternativlos“ war. Sie war insofern folgerichtig und absehbar, als dass aus dem Nebeneinander zweier sich konträr gegenüberstehender Systeme ein Sieger hervorging und die Übernahme marktwirtschaftlicher Prinzipien der Logik des „Siegersystems“ folgte. Der Transformationsprozess ist insofern nicht nur irreversibel, sondern die gesellschaftlichen Lerneffekte sind beschränkt sowie auf Gegenwart und Zukunft als Langzeitfolge des Transformationsprozesses, den man als noch nicht abgeschlossen betrachten könnte, begrenzt. Auch Antworten auf die Frage, ob durch einen anderen, „seichteren“ Übergang im Bereich der Berufsbildung die in den neuen Bundesländern in den 1990er und späteren Jahren auftretenden Probleme abgemildert oder sogar vermieden worden wären, müssen rein spekulativ bleiben. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die berufsbildungswissenschaftliche Aufarbeitung der Transformation des Berufsbildungssystems in Ostdeutschland nutzlos oder sogar bereits zu beenden wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Noch immer kann der unmittelbare Umbruch in den Jahren von 1989 bis 1991 auf dem Gebiet der Berufsbildung zahlreiche bislang unbeantwortete Fragen aufwerfen und die Beschäftigung mit diesem wichtigen Teil deutscher Berufsbildungsgeschichte zu Erkenntnissen führen, die umfassender sein können, als sich viele vorstellen. Sie können zudem weit über rein berufsbildungshistoriographisches Wissen hinausgehen und das Wissen für gegenwärtiges und zukünftiges optionales Handeln bereichern. Darüber hinaus kann man Meyer und Solga folgen, die herausstellen: „Wenig wissen wir hingegen über die langfristigen Folgen der Wendeerfahrungen.“ (Meyer/Solga 2010, 11)

Insofern kann 30 Jahre nach der politischen Wende in der DDR noch lange kein endgültiges Fazit geschrieben werden. Zwar sind Strukturen der DDR-Berufsbildung rasch beseitigt worden, aber viele Menschen blieben und haben ihr Denken auch in das neue System eingebracht. So ergibt sich etwa auch die bislang kaum beachtete spannende Frage, inwiefern die DDR-Berufsbildung die Berufsbildung der alten Bundesrepublik beeinflusst, in Details sogar verändert hat. Eine Renaissance einiger Elemente – unter anderen Namen – lässt sich seit den 2010er Jahren durchaus erkennen.[4]

Dass die Transformation gescheitert sei, ließe sich mit Verweis auf die massiven Ausbildungsplatzkrisen in den ostdeutschen Ländern ebenso bestätigen wie die Tatsache, dass sich die Verhältnisse in der beruflichen Bildung in Ost und West allmählich annähern. Gleichwohl lässt sich ebenso argumentieren, dass der Transformationsprozess daher noch lange nicht abgeschlossen ist. Die grundgesetzlich anvisierte „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ (Art. 72 Abs. 2 GG) auch auf dem Gebiet der beruflichen Bildung bleibt ein bislang unerreichtes, aber erstrebenswertes Ziel. Vergessen werden sollte ebenso nicht, dass viele Menschen im Osten gravierende Brüche in ihren beruflichen Karrieren erleiden mussten, dass es „Verlierer“ gab, sogar solche, die daran gebrochen sind. Aber ebenso eröffneten sich für viele, vor allem junge Menschen neue Möglichkeiten, sich beruflich zu entfalten.

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[1] Allein schon die Existenz zweier Rechtskreise – die Teilung in Bundes- und Landesrecht in einer föderativen Republik – war in der zentralistisch organisierten DDR nicht gegeben. Greinert etwa betonte zudem schon 1988, dass er die Dualität weniger im Vorhandensein zweier Lernorte sah als vielmehr „in der Integration von zwei unterschiedlichen gesellschaftlichen Regelungsmustern im Hinblick auf die Berufsbildung“ (Greinert 1988, 149 f.). Am klarsten würde sich das im Berufsbildungsrecht spiegeln, wo „die Privatrechtssphäre des Marktes mit der öffentlich-rechtlichen Sphäre des Staates zielorientiert verschränkt ist“ (ebd., 150). So kam er zu dem Schluss, dass die Ausbildungssysteme der Länder mit Planwirtschaft nicht dual sein könnten, „weil in ihnen das Spannungsverhältnis zwischen privatem Ausbildungsmarkt und öffentlich-rechtlicher Regulierung fehlt“ (ebd., S. 151). Gleichwohl würden – so Greinert damals weiter – die Berufsbildungssysteme dieser Länder oft als „dual“ charakterisiert werden.

[2]    (4) Der Minister für Arbeit und Soziales kann durch Anordnung bestimmen, dass für Ausbildungsplatzbewerber Ausbildungsmaßnahmen in überbetrieblichen Einrichtungen nach Absatz 2 Nr. 2 und 3 auch dann gefördert werden können. wenn dadurch die Ausbildung von arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Berufsanwärtern ermöglicht wird, die bei der Arbeitsverwaltung als Ausbildungsplatzbewerber gemeldet und bisher weder in eine Berufsausbildung in einem Betrieb oder einer überbetrieblichen Einrichtung noch in eine schulische Bildungsmaßnahme eingemündet sind und nicht zu den in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen gehören.

[3]     (2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. (…) 11(…) hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“ (Herv. d. Verf.)

[4] Hierbei sei neben der Berufsausbildung mit Abitur z. B. gedacht an die Ausbildungsgarantie, die seit 2013 in Regierungsprogrammen auf Bundesebene zu finden ist, oder an die Sachverständigen bei Berufsordnungsverfahren, die an die Arbeit von Berufsfachkommissionen aus der DDR-Ordnungsarbeit erinnern.

Zitieren des Beitrags

Hölterhoff, D./Herkner, V. (2019): Transformation des Berufsbildungssystems in Ostdeutschland – eine historisch-systematische Studie. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 36, 1-28. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe36/hoelterhoff_herkner_bwpat36.pdf (24.06.2019).